piwik no script img

Kommentar Eskalation in der UkraineWir wissen gar nichts

Kommentar von Barbara Oertel

Nach dem Gewaltausbruch im Osten der Ukraine tobt eine Propagandaschlacht. Eine Beruhigung ist nicht zu erwarten.

Ein sowjetisches Fähnchen an einer Barrikade in Donezk. Bild: reuters

M an hätte es ahnen können: Anstatt einer Beruhigung der Lage im Osten der Ukraine sind wieder Tote und Verletzte zu beklagen. Kiew macht Moskau für den neuerlichen Gewaltausbruch am vergangenen Wochenende in der Stadt Slawjansk verantwortlich.

Für den Kreml steht fest, dass die „Faschisten“ in Gestalt des Rechten Sektors die Aggressoren sind. Deren Chef Dmytro Jarosch hatte ja praktischerweise am Tatort gleich noch seine Visitenkarte hinterlassen. Das war, neben dem Ruf des selbst ernannten Slawjansker Bürgermeisters nach russischen „Friedenstruppen“, nur eine von vielen bizarren Nachrichten, die das russische Staatsfernsehen – zufällig als erster Sender vor Ort – über den Äther jagte.

Doch einmal abgesehen davon, dass wir, wie so oft in den vergangenen Tagen, auch dieses Mal wieder wissen, dass wir gar nichts wissen: Das Genfer Abkommen, das viele als einen ersten Schritt hin zu einer möglichen Beilegung der Krise begrüßt hatten, könnte sich bald als Makulatur erweisen. Nichts deutet darauf hin, dass Moskau seinen Einfluss im Osten des Nachbarlandes im Hinblick auf eine Deeskalation beabsichtigt, geltend zu machen. Vielmehr scheint es vorrangig darum zu gehen, die Präsidentenwahl am 25. Mai, die Moskau ohnehin nicht anerkennen will, zu torpedieren.

Das Gleiche gilt auch für die prorussischen Besetzer, die überdies an einem Referendum noch vor den Wahlen festhalten. Ihnen läuft die Zeit davon, und offenkundig ist ihr Rückhalt in der Bevölkerung weniger bedeutend, als sie dachten. So dürften die Scharmützel weitergehen – flankiert von entsprechenden Propagandaschlachten. Und die Beobachter der OSZE, die eigentlich versuchen sollten, ein objektives Bild der Lage zu zeichnen? Sie wurden bis Montagnachmittag noch nicht einmal nach Slawjansk hineingelassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Stimmt! "Wir wissen gar nichts!" Und Frau Oertel, Kolleginnen und Kollegen sowie diverse andere, fremde Korrespondenten/Reporter/Nachrichtenagenturen auch nicht, die taz-Leserinnen und Leser schon gar nicht. Wir alle nehmen zur Kenntnis, können vermuten, sinnieren, erfahrungsgemäß Methoden/Strategien mit dem "Kalten Krieg" vergleichen und dann spekulieren.

     

    Vielleicht geht es gar nicht allein und nur um Öl, Gas und dementsprechende Pipelines durch die Ukraine zwecks Energieversorung für die EU? Vielleicht geht es inzwischen wirtschaftskriegerisch und wettbewerbskriegerisch auch um die nicht nachhaltige Ressource S a n d - aus dem Schwarzen Meer?

     

    Siehe arte-Dokumentationen 2013 und 2014 "Sand - die neue Umweltzeitbombe"!

  • "auch dieses Mal wieder wissen, dass wir gar nichts wissen"

     

    Ach, diese Leier wieder :D

     

    Wir wissen, dass in diesem Fall Leute in einem SUV und einem PKW an einer Strassensperre gestoppt wurden und das Feuer eröffneten. Es mag eine False-Flag-Aktion gewesen seien - von wem auch immer. Der Vorfall ist nicht wirklich weltbewegend: es war damit zu rechnen, daß irgendwelche Revolvermänner vom Rechten Sektor, C14, SBU oder sonstwem an einer dieser Strassensperren auflaufen. Die russische Darstellung ist dabei gar nicht mal so unglaubwürdig - 'Easter truce' broken: Five deaths reported in overnight checkpoint raid in E. Ukraine http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140420040 - wenn auch vielleicht jemand mit dem anschliessenden Abfackeln der Fahrzeuge Beweise vernichten wollte.

     

    Was machte eigentlich CIA-Chef Brennan in Kiew?

     

    Davon unabhängig leidet das Genfer Abkommen an kleinen Schönheitsfehlern. Vertreter der Ost-Ukraine wurden nicht einbezogen. USA und Kiew meinen, Rechter Sektor etc. seien keine illegalen bewaffneten Gruppen. Trotzdem nehme ich an, die Herren in Kiew würden einlenken, wenn sie auf sich selbst gestellt wären.

     

    Mit der Isolation Russlands läuft das ja nicht so, China investiert jetzt auf der Krim anstatt in Nevada: China Prepares Massive Investments in Crimea http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140421000

     

    Wo sind nun die Perspektiven für Deutschland und Europa in der ganzen Angelegenheit? Suchen die USA mit dem neuen kalten Krieg nur verzweifelt Möglichkeiten, "nicht allein zu sinken" - Ilargi: Ukraine - Part of United States' Desperate Solutions For Not Sinking Alone? http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140421040

     

    Vielleicht sollten wir unsere Herrschaften doch etwas nachdrücklicher fragen, was sie so vorhaben. Wir wissen recht viel, aber nicht alles.

  • Als in Kiew monatelang vermummte Bewaffnete gewaltsam gegen die demokratisch gewählte Regierung demonstrierten, hiess es aus Brüssel und Washington: ’’Jeder hat das Recht zu demonstrieren! Das Volk hat das Recht, gegen die Staatsorgane vorzugehen! Die Regierung darf keinesfalls auf das Volk schiessen!’’

     

    Und jetzt, wo in der ganzen Südostukraine gegen die Kiewer Putschisten demonstriert wird, heisst es aus Washington und Brüssel: ’’Ruhe und Ordnung sind das allerwichtigste! Die Stabilität muss wiederhergestellt werden! Die Regierung muss nötigenfalls mit der Armee die Demonstranten vertreiben!’’

     

    Ich finde die ganze Nato-Propaganda einfach nur noch widerwärtig!

  • Wenn Frau Oertel Bescheid wüsste, hätte sie den ARD Bericht vom freitäglichen Maidan auch in ihren Artikel einfließen lassen müssen. Eine junge Frau hatte auf dem Maidan lächelnd kundgetan: Genf ist nur bla, bla, bla. Dazu hatte die Hübsche verächtlich gestikuliert. Zuvor, war bereits der Innenminister der ukrainischen Putschisten zu hören, als er sagte: Die Maidan Kämpfer ihre Waffen nicht abgeben. Damit wurde Genf zur diplomatischen Fehlgeburt. Die prorussischen Einwohner im Osten des Landes würden geradezu Selbstmord begehen wenn sie ihre Waffen unter diesen Vorzeichen abgäben. Die Toten des Überfalles waren, wie der Deutschlandfunk meldete, unbewaffnet. Mit traditioneller Hingabe versucht Frau Oertel versucht das Geschehene wieder antirussisch hinzubiegen. Natürlich gibt es in dieser kriegerischen Auseinandersetzung auch Kommando- Unternehmen. Es kann wirklich nicht ausgeschlossen werden, dass die ukrainische Nationalgarde und die begleitenden amerikanischen Blackwater- Nachfolger könnten dieses Gemetzel tatsächlich hervorgerufen haben. Soviel sollte ein ungetrübter Journalist immer noch für möglich halten können. Frau Oertel ist unter den Propagandisten zu Hause. Schade, dass ist nicht länger zu übersehen.