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Kommentar „EnemyGraph“ für FacebookImmer dieser Scheißkonsens

Kommentar von David Denk

Hass? Missfallen? Gibt's bei Facebook nicht. Nun greifen US-Studenten mit einem Mini-Programm ein. Und das ist gut so.

Mag! Ich! NICHT! Bild: Photocase / joeesco

J a, ich hab’s getan. Schon öfter. Und ich tu’s. Immer wieder. Ist ja schnell gemacht. Kostet nix. Keine Vertragsbindung. Den „Gefällt mir“-Knopf zu drücken ist eine schöne Möglichkeit, im Vorbeiscrollen Anteil zu nehmen am Alltag meiner Facebook-Freunde. I like! I care – aber nicht zu sehr.

Und er ist die Pest, der Knopf. Eigentlich vor allem die Pest. Denn es gibt kein Gegenstück. Abneigung oder gar Hass sind bei Facebook nicht vorgesehen. Wer sich anmeldet, wird Mitglied einer als soziales Netzwerk getarnten Gutelaunesekte. Hier ist das Glas immer halb voll, mindestens. Gefällt mir – NICHT!

Auf meiner Seite weiß ich die texanischen Medienstudenten Bradley Griffith und Harrison Massey, die den „EnemyGraph“ entwickelt haben, eine Anwendung, die es Facebook-Nutzern erlaubt, auch ihren Hass zu teilen. Forderungen nach einem „Dislike“-Button waren zuvor unerhört geblieben.

Bild: taz
David Denk

ist Co-Leiter des Ressorts Gesellschaft/Kultur/Medien.

In seiner Ablehnung des Ablehnens passt Facebook prima in eine Welt, in der sich immerzu alles in Wohlgefallen auflösen muss. Angesichts von rund 800 Millionen Nutzern weltweit – Tendenz steigend – ist die Befürchtung, dass schon Facebooks Sicht auf die Welt selbige ein Stück weit formt, sicher nicht ganz abwegig. Eine Welt, in der man nicht leben will, weil dort nur gelobt wird. Was niemand mag, findet nicht statt.

Wer erfahren will, mit welch harter Hand die Affirmation uns regiert, muss nur mal versuchen, ein Gespräch mit einem Dissens zu beenden. Selbst wenn Sie versuchen, standhaft zu bleiben – Ihr Gegenüber wird alles daransetzen, dass am Ende „nichts zwischen uns steht“, wird alle Differenzen mit verbaler Vaseline zuschmieren. Und möglicherweise werden Sie einknicken und sich anschließend darüber ärgern. So geht es mir viel zu oft.

„Konsensorientiert“ zu sein gilt als Tugend – dabei sollte es eigentlich ein Schimpfwort sein. Klar sind Querulanten scheiße – aber unterschiedlicher Meinung zu sein und Positionen auszutauschen, ohne dass es einer der beiden persönlich nimmt, wenn auch das Gespräch daran nichts ändert, sollte doch möglich sein. Ist es aber immer seltener.

Der Einwand, dass das Internet auch ohne „Dislike“-Button schon voll genug ist mit Pöbeleien und Herabwürdigungen, greift zu kurz, denn solche Entgleisungen will niemand verteidigen. Aber Abneigungen zu unterdrücken und so zu tun, als wäre das alles letztlich überhaupt kein Problem, ist weltfremd. Wer mit allem d’accord geht, hat keine Haltung. Und sich meinen Hass redlich verdient.

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Ressortleiter tazzwei
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10 Kommentare

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  • MF
    Martin Felmer

    Ganz schlau!

    Ein "Gefällt mir nicht"-Button hat bei Facebook gerade noch gefehlt.

    Ich freu mich schon auf die ersten Berichte über eine neue Stufe des Cybermobbings. Vielleicht können dann ganze Klassen das verhasste Opfer im Kollektiv mit nur einem Klick fertig machen, anstatt so viel Text schreiben zu müssen.

    Tolle Idee!

    Irgendwer muss (Schul-)Psychologen ja Arbeit verschaffen. Weiter so.

  • I
    ion

    Ist eben ein echtes Bush-land-Produkt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!

    Und: es gibt einen 'Dislike'-Button (für alle-s): Austreten ! Jetzt !

  • W
    wonko

    Du, David - ich bin da echt total bei Dir. *hug*

  • A
    anke

    "Konsensorientiert" IST bereits ein Schimpfwort, Herr Denk. Und zwar für all die Leute, die unter Konsens verstehen, was gewisse Chefs darunter subsumieren. Ich meine Menschen, für die es ein Meinungsaustausch ist, wenn sie mit einer eigenen Meinung zum Chef kommen und mit der des Chefs wieder gehen.

     

    Wer noch nie erlebt hat, dass der Austausch von Positionen damit enden kann, dass aus These und Antithese eine Synthese entsteht, der hat womöglich überhaupt nur zwei Chancen. Er kann entweder zum Querulanten werden oder zum Jasager. Für die einen ist das Glas immer ganz leer, für die anderen ist es immer randvoll. Dazwischen gibt es nichts.

     

    Nein, Herr Denk, es ist kein Merkmal einer Pest, dass es kein Gegenstück dazu gibt. Seit Jahren schon drücke ich angesichts der Unfähigkeit meiner Mitmenschen, ihre Konflikte wie gleichberechtigte Erwachsene auszutragen, den Knopf: "Gefällt mir nicht!" Erfolglos. Das Signal kommt einfach nicht an. Das einzige, was permanent wächst, ist meine Verzweiflung.

     

    Vom "EnemyGraph" verspreche ich mir angesichts meiner Erfahrungen im realen Leben überhaupt nichts. Was die Leute nicht haben an sozialen Kompetenzen, haben sie auch nicht im Netz. Wenn facebook momentan noch eine "als soziales Netzwerk getarnte Gutelaunesekte" ist, wird es in Zukunft auch ein als soziales Netzwerk getarnter Hassclub sein, mehr wird nicht passieren, jede Wette.

     

    Übrigens: Unterschiedlicher Meinung zu sein, ohne dass es einer der beiden persönlich nimmt, wenn das Gespräch an den Positionen nichts ändert, sollte möglich sein - aber bitte nicht die Regel. Menschen sind schließlich keine Mailboxen. Sie brauchen echte Reibung und echte Bestätigung. Geschwätzige Ignoranz macht sie wütend, traurig und letztlich stumm. Zumindest dann, wenn sie fürs Schwatzen nicht wenigstens ein Schmerzensgeld und 30 Tage Urlaub bekommen. Und wenn es etwas gibt, was ich wirklich (und also nicht nur im Umfang eines "I like") hasse, dann sind es Menschen, die andere Menschen zum Verstummen bringen. Oder zum Lügen.

  • CK
    Christian K.

    Wenn ich bei Facebook angemeldet wäre, würd' ich jetzt den "I Like" Button unter diesem Artikel anklicken ;)

  • S
    sarah

    Einen dislike-Button gibt es als Firefox-AddOn doch schon seit Jahren

  • MK
    Michael Kallweitt

    In der Tat fände ich einen "Gefällt mir nicht"-Knopf für Seiten oder Kommentare ganz sinnvoll.

     

    Aber ich muss nicht den Rest der Facebook-Gemeinde wissen lassen, dass ich meinen Ex-Chef oder andere Leute explizit nicht mag. Lieber blockiere ich diese Nutzer und für alle Beteiligten ist die schöne bunte Welt wieder in Ordnung.

  • RE
    Ralf Eilers

    Danke, ich bin erleichtert zu lesen, dass es diese Sicht doch noch gibt.

     

    Gruß

    Ralf Eilers

  • I
    ion

    Ist eben ein echtes Bush-Produkt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!

    Und: es gibt einen 'Dislike'-Button (für alle-s): Austreten ! Jetzt !

  • G
    German-American

    Dass es bei Facebook keinen "Dislike-Button" gibt, ist wohl auch ein kulturelles Phänomen. Hier in den USA ist es einfach nicht üblich, so direkt seine Meinung zu sagen wie in Deutschland. Stattdessen wird Kritik "sugarcoated", also in Zuckerwatte verpackt (So würde man wohl auf Deutsch sagen) und sehr sehr indirekt geäußert. Insofern ergibt es durchaus Sinn, dass es eben keinen "Dislike-Button" gibt. Auch wenn ich selbst manchmal gern einen solchen Button benutzen würde, es gibt ja immer noch die Möglichkeit, einen entsprechenden Kommentar zu schreiben.