Kommentar Endspurt in Kopenhagen: Der Gipfel der Einsicht
Der Klimawandel ist längst im Gange, in Kopenhagen ging es um Schadensbegrenzung. Der Gipfel war ein Anfang.
Das größte Regierungscheftreffen aller Zeiten ist in der Endphase. Über 100 Präsidenten, Premiers und eine Kanzlerin fliegen nicht nach Kopenhagen, ohne vorher wenigstens grob eine Vereinbarung getroffen zu haben. Wir werden heute Ziele und Geldsummen präsentiert bekommen, die Frage ist nur, in welcher Form. Aber auch wenn wir nur große Bekenntnisse auf großer Bühne sehen und keinen verbindlichen Vertrag; wenn noch Jahre um Milliardensummen und Hintertürchen im Kleingedruckten gerungen wird: Kopenhagen 2009 ist ein historisches Datum.
Denn die Regierungschefs der Industrieländer, also die Verursacher des Klimawandels, konnten die Dringlichkeit des Problems nicht länger verdrängen. Trotz krisengeschüttelter Staatshaushalte versprechen sie, hunderte Milliarden Euro auszugeben. Sie mussten eingestehen, dass die Klimapolitik von den Sonntagsreden in die ernsthafte Politik gewechselt ist. Ob sie wollen oder nicht.
Es ist aber auch klar: Die große Politik kommt zu spät - und sie ist zu langsam. Der Klimawandel ist längst im Gange, es geht jetzt um die Schadensbegrenzung. Damit wir vielleicht bei 4 Grad durchschnittlicher Erderwärmung landen und nicht bei Kakteenwäldern in den deutschen Mittelgebirgen. Die Diplomatie schreitet bei Themen globalen Zuschnitts wie atomarer Abrüstung oder generellen Regeln für die Banken naturgemäß sehr langsam voran. Diese Probleme laufen einem ja auch nicht weg. Der Klimawandel nach drei verpassten Jahrzehnten allerdings - der ist inzwischen weit schneller als die Politik. Und er bedroht die Geschäfte. Es sieht nun immerhin so aus, als hätte die Politiker wie auch viele einflussreiche Industrien das eingesehen. Sie versuchen aufzuholen.
Wir werden also in den kommenden Jahren neue Organisationen, neuartige weltweite Verträge und Kooperationen sehen. Gleichzeitig werden wir, wenn es schlecht läuft, auch ganz neue Schurkereien und Konkurrenzformen zwischen Länderblöcken erleben. Denn es geht ja um strategische Ressourcen für die einzelnen Gesellschaften. Es geht um Billionen Euro pro Jahr, um unfassbare Gewinne und Verluste, um Investieren oder Ausplündern. Es geht um unseren Lebensstil, also auch um Wahlsiege. Wir werden uns an gipfelnde Hundertschaften von Regierungschefs gewöhnen müssen. Kopenhagen war der Gipfel der Einsicht, ein Anfang.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale