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Kommentar EinheitsabiturEine für alle

Bernd Kramer
Kommentar von Bernd Kramer

Gemeinsame Standards für das Abitur sind nur ein erster Schritt. Gemeinsame Lehrpläne und eine einheitliche Schulstruktur wären besser.

M anchmal verdienen selbst die Kultusminister etwas Lob, bei aller Kritik am Klein-Klein der deutschen Bildungspolitik. Als eine Lehre aus dem Pisa-Schock haben sie Standards erarbeiten lassen und damit bundesweit verbindlich festgelegt, was Schülerinnen und Schüler können müssen.

Für die Grundschule, den Haupt- und Realschulabschluss gibt es diese Bildungsstandards bereits. Jetzt haben die sonst so zerstrittenen Schulpolitiker festgelegt, was ein Abiturient in den Fächern Deutsch, Mathematik und den Fremdsprachen können muss. Gut so. Gut auch, dass die Standards auf Kompetenzen zielen und nicht auf paukbares Wissen. Deutschland bekommt endlich ein Zentralabi, ein zaghaftes zwar, das nicht so heißen darf, aber immerhin.

Auf den ersten Blick scheint das den Wünschen vieler Eltern, Lehrer und Schüler entgegenzukommen. Laut Umfrageergebnissen sehnen sie sich mit überwältigender Mehrheit nach einem bundesweit einheitlichen Schulsystem. Zu Recht. Es ist schlicht unfair, wenn derselbe Abschluss in Berlin etwas anderes bedeutet als in Baden-Württemberg. Es ist nervig, wenn Abiturienten aus Bayern auf ihre Altersgenossen im Bremen herabblicken, weil denen das Abi ja angeblich geschenkt wird. Mal abgesehen davon, dass solche Überheblichkeit nicht auf Fakten, sondern oft auf reinem Gutdünken basiert. Einheit tut not.

Das Problem ist nur: Der Beschluss der Kultusminister täuscht darüber hinweg, dass die Länder schulpolitisch eher auseinanderdriften, statt sich anzunähern. Die Verkürzung der Gymnasiumszeit auf 8 Jahre etwa hat dazu geführt, dass die Oberstufe im einen Land zwei, im anderen drei Jahre dauert. Daneben gibt es Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen, Gesamtschulen, Oberschulen, Werkrealschulen – nie war die Fülle größer. Und im Zweifel überlässt man es den Städten, die richtige Schulform auszuwählen.

Bernd Kramer

ist Bildungsredakteur der taz.

Auf diese Strategie setzen gerade grüne Bildungspolitiker – weil man sich wütende Elternproteste so vom Hals halten kann. Die Folge: Früher war es schwierig, von einem Bundesland zum anderen zu wechseln – heute kann schon der Umzug in den Landkreis nebenan zum Problem werden.

Gemeinsame Standards sind eine halbherzige Lösung. Es braucht auch gemeinsame Lehrpläne, vergleichbaren Unterricht und nicht zuletzt: eine einheitliche Schulstruktur. Am besten mit einer Schule für alle in ganz Deutschland.

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Bernd Kramer
Inlandsredakteur
Jahrgang 1984, hat VWL, Politik und Soziologie studiert und die Kölner Journalistenschule besucht. Seit 2012 bei der taz im Inlandsressort und dort zuständig für Schul- und Hochschulthemen.
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10 Kommentare

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  • N
    nihi.list

    Gegen einheitliche Standards wäre nichts einzuwenden, wenn diese sich an den Spitzengruppen, sei es Bayern oder Thüringen oder ... orientieren würden.

     

    Leider wird aber diese Diskussion von GEW-Funktionären, Erziehungstheoretikern und sonstiger praxisferner, linksalternativer Hobbypädagogen geführt. Und diese werden sich Bremen oder Berlin als Vorbild nehmen; denn nur so kann wirklich Sichergestellt werden, dass alle Kinder gleich (dumm) sind.

     

    Und als schöner Nebeneffekt wird das private Schulsystem einen gehörigen Aufschwung erleben. Insbesondere die Wähler der Besserverdienerpartei Die Grünen sprechen sich ja vielfach für solche Gleichmachereien aus, ihre eigenen Kinder schicken sie aber doch lieber auf eben solche privaten Einrichtungen.

  • C
    Carsten

    Jaja, lieber alle gleich schlecht, als einige besonders gut. Hauptsache, alle einheitlich. Diese egalitäre Ideologie ist krank. Und macht die Bildung kaputt. Demnächst gibt's das Abi automatgisch vom Staat zum 18. Geburtstag, dann wird auch niemand mehr diskriminiert...

  • G
    Guntramruecker

    Herr Kramer hat die Katze aus dem Sack gelassen: Wir brauchen die Einheitsschule. Dass derartige Patentrezepte der vielfältigen Schullandschaft nicht entsprechen und eine klebrige Einheitssauce über eine immer lebendigere Lehr- und Lernkultur in Deutschland ausgießen würden, scheint ihm nicht bewusst zu werden. Je einheitlicher man Schule gestalten will, desto widerborstiger erweisen sich abweichende Bildungsbedürfnisse - man schaue nur in die USA wo ja alle kids auf die "High School" gehen oder nach GB wo Labour vor ca. 60 Jahren die Grammar Schools abgeschafft hat. Einziges Ergebnis: ein kaputtes System von Comprehenives, das alle Eltern die es sich nur einigermaßen leisten können meiden, indem sie die Kinder auf Privatschulen schicken. Statt das Schulsystem aus einem (idealistischen) Gleichheitswahn heraus zu planieren um "bildungsfernen" Kindern zu helfen, sollte man passgenaue Fördersysteme finanzieren - und zwar schon im Vorschulbereich. Lasst viele Blumen blühen, damit ihre Farben uns erfreuen. Die Alternative ist der bildungspolitische Plattenbau.

  • T
    T.V.

    Schade sowas in der TAZ zu lesen. Einheitlichkeit fehlt unserer Bildung am wenigsten. Tragisch wenn das mit gleichen Rechten für alle und Gerechtigkeit verwechselt wird.

  • KK
    Karl K

    Much all wesen. Einheit - hat irgendwie son speziellen Klang.

     

    Aber wenn ich dann den Herrn Oberstupidiendirektor

    und Leiter des Deutschen Lehrerverbandes Kraus paar Seiten weiter lese!

     

    Ja dann muß ich als knapp Älterer über Herrn Kraus schon schmunzeln.

    Da isser wieder der Bildungskanon, der saudamisch-bayrische halt.

     

    Gut - mir san mir. Hom's überhaupt an Apritur, an bayrisches. Versteht sich.!?

    Was will man auch anderes erwarten.

    ( setzt sich in Jura-Examina fort - aber Hallo!)

     

    Aber: - " ohne Faust geht's nicht!" - ?

    Ham's das nicht 'n bißchen kleiner.

    Schon mal gehört: Aufklärung und so?

     

    Gewiß - Abi auf dem ' Ascheimerzug' ( math.-nat.) an dem! Gymnasium.

    Goethe? - oh ja, - Klaus Kinski - nach Franz Mohr, Torquato Tasso - als Faust II im Colosseum. Spitze - randalierend mit real brennendem Kerzenleuchter, pöbelnd - un-erhört! Aber mehr?

    Eine Frage der Möge. Ja, aber mehr bitte nicht.

     

    Faust? Nö. Lessing. Kafka. Ja.

    - 'Die Leiden des…? - " Na, Schiller, …den hätt ich besser weggelassen; zu viel Gelächter in der Klasse."

    'Katz und Maus', die ' Kirschen der Freiheit' - Ideen der Schüler.

     

    So geht's doch auch. Und eure oktroyierenden Bildungskanonen mottet mal flugs wieder ein.

    Die Weisheit: daß Lehrer von ihren Schülern en passant mehr lernen können!,als diese meist von ihnen, scheint in bayrische Lehrerschädel noch nicht eingedrungen zu sein.

    Vielleicht mal wieder Oskar Maria Graf aus dem Regal klauben!?

    Pink Floyd The Wall - you remember?

  • AR
    Antoninus R.

    Klasse: "Eine Schule für alle..."

     

    Vielleicht könnte man das so bessser benennen, wenn man Kompetenzkriterien anwendet...: Eine Schul-f o r m ... für

     

    Und dann melden sich Schloss Salem oder die Gaesdonck am Niederrhein (die es für die Hälfte des Preises auf Salem macht: und ohne Psychologen als Coaches und ohne Drogentests) - dann fangen schon die Ausnahmen an.

     

    Und: "248 Seiten umfassenden Standards für das Fach Deutsch..." - Wann haben die Länderkultusminister (und ihre MinisterienInnen...) das zeugs klein-klein gschreiben, so dass dann Pups-Aufträge im Abi landen: Schreiben mit HIlfe der Materialien Sie für die Schülerzeitung einen Artikel über Drogenkonsum. - Alternativthema: Analysieren und interpretieren und formatieren Sie das Gedicht "Reifeprüfung" von Reiner Kunz (äh: Kunze!). [so was wird jedes zweite Jahr in Bayern abgefragt. Andere oder gar neuere oder gar kritischere Lyrik der deutschen Moderne findet für "Bavaria-Sauf-dich-reif" nicht statt.

  • L
    Lehrer

    Sorry, aber dieser Kommentar ist inhaltlich leider völlig unqualifiziert. Die Schulen unterscheiden sich vom Namen, das ist klar. Aber wer ( außer selbsternannten Bildungsjournalisten) glaubt denn im Ernst, dass sich das Bruchrechnen oder die Photosynthese im Unterricht verändern, nur weil ich den Namen der Schule ändere? Wer meint tatsächlich ( auch nach der Hattie-Studie), das Schulstruktur und ideologische Debatten Lernerfolg vergrößern. Wer glaubt tatsächlich, dass die Singapurer-Paukschule oder die finnische Pisa-Musterschule (wenig Migranten, viel Frontalunterricht), am Ende die Schüler lebenstauglicher macht?

    Wer alle diesen Fehlannahmen weiterhin folgen will, Schleicher unkritisch folgen mag und lieber auf GEW-Funktionäre als auf Lehrer hören will, der mag diesen Artikel goutieren.

    Mein Fazit als Lehrer an einer Auslandsschule, an der Schüler aus allen Bundesländern gemeinsam unterrichten werden, und zwar nach Hauslehrplänen, die sich an Thüringen orientieren: Die Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern sind vorhanden, Schüler aus Bayern oder Sachsen haben sicherlich einen Vorsprung. Aber sie sind einebenbar und beherrschbar. Die Unterschiede für ideologisches, praxisfernes, dramatisches Gekreische zu verwenden, lieber Herr Kramer, ist unsachlich und folgt eher ein privaten Agenda als echter Sorge. Ob diese Agenda ein Kampf für den Zentralstaat oder für die Einheitsschule ist, erschließt sich mir nicht. En Kampf für Bildungsgerechtigkeit ist es aber nicht, eher dagegen.

  • T
    thau

    "Es ist nervig, wenn Abiturienten aus Bayern auf ihre Altersgenossen im Bremen herabblicken, weil denen das Abi ja angeblich geschenkt wird. Mal abgesehen davon, dass solche Überheblichkeit nicht auf Fakten, sondern oft auf reinem Gutdünken basiert."

     

    Es ist nervig, wenn die Meinung eines Autors nicht auf Fakten, sondern auf reinem Gutdünken basiert.

  • K
    Kaspar

    Nicht in der Einheit, sondern in der Vielfalt liegt die Zukunft unserer Gesellschaft und somit auch unserer Bildungsangebote.

    Hier wird wie so oft nicht unterschieden zwischen Gleichheit und Chancengleichheit.

    Gleichheit führt in strikter Umsetzung zur Ausgrenzung von Anderem und vor allem, wer legt fest wie Gleichheit aussehen soll?

     

    Der Artikel legt nahe, dass über einheitliche Vorgaben mehr Gerechtigkeit für alle hergestellt wird.

    Sozialphilosophisch ist das nach meiner Meinung Quatsch, da es keine allgemein gültige Gerechtigkeit gibt und geben kann.

     

    Wohl und wehe eines menschlichen Sozialstaates entscheidet sich in der Frage der Chancengerechtigkeit / Chancengleichheit.

    Und dies hat mit einem einheitlichen Schulsystem erst einmal überhaupt nichts zu tun; es sei denn wir etablieren die Einheitsschule für alle, da kann doch nicht das Gymnasium als separate Schule aussen vor gelassen werden! Welche Arroganz des Bildungsbürgertums!

     

    Gerne gemeinsame Bildungsstandarts im Sinne von zentralen Schulabschlussprüfungen; ansonsten jedoch kann man nur heilfroh sein, dass es zumindest einige freie Schulen gibt, an denen keine Noten verteilt werden, sondern um des Lernen willens gelernt wird. Der Weg zu zentralen Schulabschlussprüfungen kann auf mannigfaltige Weise beschritten werden.

     

    In diesem Sinne ein Hoch auf die Chancengleichheit, durch Vielfalt statt Einheit!

    Die Grünen tuen gut daran ihre Bildungspolitik in diesem Sinne fortzusetzen.

     

    Beim Hamburger Volksentscheid zur Schulreform zeigte sich übrigens über deutlich wo das gut gebildete Bürgertum seine Grenze zieht.

    Eine Schule für alle? Da geht ein Aufschrei durch die wohl situierten Wohnzimmer; das darf nicht zugelassen werden!

    So viel zur Chancengerechtigkeit in Deutschland.

  • CB
    Christof Böckler

    Es wird gerne übersehen, ist aber dennoch eine Tatsache:

     

    Es gibt bereits seit über 20 Jahren »Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung« für viele verschiedene Fächer:

     

    http://www.kmk.org/dokumentation/veroeffentlichungen-beschluesse/bildung-schule/allgemeine-bildung.html