Kommentar Einbürgerung: Verweigerte Doppel-Identität

Die Einbürgerungszahlen sind gesunken? Kein Wunder bei den verschäften Sprach- und Einbürgerungstests.

Die Bundeskanzlerin, der Innenminister, die Integrationsbeauftragte - sie alle werben bei MigrantInnen gerne für die deutsche Staatsbürgerschaft. Fakt aber ist: Die Anzahl der Einbürgerungen ist weiter deutlich zurückgegangen. Erstmals könnten sie jetzt unter die 100.000 fallen - und damit auf den niedrigsten Stand seit 1989. Überraschend ist das nicht: Denn aller Rhetorik zum Trotz hat die Bundesregierung mithilfe von verschärften Sprach- und neuen Einbürgerungstests die Hürden bei Einbürgerungen stetig weiter erhöht.

Dieser Politik liegen zwei falsche Annahmen zugrunde: Zum einen verstehen insbesondere Unionspolitiker die deutsche Staatsbürgerschaft noch immer als das krönende Ende einer gelungenen Integration. Dabei sollte sie viel mehr ein Mittel auf dem Weg dorthin sein. Noch immer leben hierzulande fast 7 Millionen Menschen ohne deutschen Pass. Sie haben weder dieselben Rechte noch dieselben Pflichten wie Deutsche - und können nicht gleichberechtigt mitmischen im gesellschaftlichen Leben. Integration aber gelingt nur, wenn möglichst viele dazugehören.

Zum Zweiten lehnt ein noch immer großer Teil der Bundesregierung - wiederum insbesondere in der Union - die doppelte Staatsbürgerschaft kategorisch ab. Von Identitätskonflikten ist zur Begründung stets die Rede und davon, dass man sich nicht gleichzeitig zwei Ländern gegenüber loyal verhalten könne. Dies verkennt, dass ebendiese emotionale Verbindung für viele Menschen normal ist - und menschliche Identität weit mehr ausmacht als das Zugehörigkeitsgefühl zu einem Land. Der Schriftsteller Navid Kermani hat das so ausgedrückt: Ein Identitätskonflikt sei für ihn nicht, zwei Ausweispaiere zu haben - sondern wenn der 1. FC Köln gegen die iranische Nationalmannschaft spielte. Das dürfte ihm erspart bleiben. Kermani hat übrigens den Doppelpass - und gilt als ein Paradebeispiel gelungener Integration.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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