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Kommentar East Side GalleryGeschichte à la Disneyland

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die Berliner Mauer war ein barbarisches Werk. Der Umgang mit den Resten dieses Bauwerks zeugt von einem Geschichtsverständnis, das barbarisch ist.

Verwursteter Umgang mit den Resten der Berliner Mauer: Die East Side Gallery. Bild: ap

I n Berlin reißen sie die Mauer ab. 1980 wäre diese Nachricht großartig gewesen. 1990, als weite Teile des Bauwerks tatsächlich umstandslos verschwanden, war das zumindest verständlich. Man wollte das Symbol der Teilung Deutschlands und Berlins, diese hässliche Wunde im Stadtbild, möglichst rasch loswerden.

Aber heute, fast 24 Jahre nach dem Mauerfall, ist die Zerstörung beziehungsweise Verlegung von Reststücken dieses ekelhaften Bauwerks ein Stück aus dem Tollhaus. Typisch Berlin eben: Wenn die Stadt schon keinen Flughafen errichten kann, dann gelingt ihr doch wenigstens die Zerstörung der eigenen Geschichte.

Denn die Reste der Berliner Mauer sind ein wichtiges, ja unverzichtbares Stück Zeitgeschichte. Es handelt sich um ein historisches Artefakt, durchaus vergleichbar mit Bauwerken wie der Berliner Siegessäule, wenn auch weniger repräsentativ. Geschichte besteht nicht nur aus vergilbten Akten und brüchigem Pergament, das man im Museum hinter Glas bestaunen darf. Geschichte besteht für das kollektive Gedächtnis vor allem aus Stein.

Bild: taz
Klaus Hillenbrand

ist Leiter der Ressorts taz1.

Das gilt gerade für die Mauer, die wie kaum ein anderes Bauwerk erfahrbar macht, was die Teilung Deutschland praktisch ausmachte. Diese Steine einfach an einen anderen, historisch falschen Ort umzusetzen zeugt von einer kaum zu überbietenden Ignoranz. Das ist Geschichte à la Disneyland, mit Klaus Wowereit als Donald Duck. Was nicht mehr in den Bebauungsplan passt, wird passend gemacht. Man kann von Glück reden, dass das Bonner Bundeshaus und die Dresdner Frauenkirche nicht in Berlin stehen, sonst hätte man diese wohl auch schon entsorgt.

Verräterisch ist in diesem Zusammenhang, welche Berliner Institution sich überhaupt für den Erhalt der Mauer starkmacht: Es ist einzig die Tourismusbehörde, die sich um die Anziehungskraft der East Side Gallery sorgt. Nur als Instrument der Vermarktung ist dieses Stück Geschichte von Interesse. Vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit ist dagegen kein einziges Wort des Protests oder auch nur des Bedauerns bekannt.

Die Berliner Mauer war ein barbarisches Bauwerk, von der DDR errichtet, um Menschen einzusperren, von der Welt akzeptiert, damit aus dem Kalten kein heißer Krieg würde. Der Umgang mit den Resten dieses Bauwerks zeugt von einem Geschichtsverständnis, das man auch nur barbarisch nennen kann.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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14 Kommentare

 / 
  • EG
    ela g.

    Willy Brandt muss in seinem Leben doch recht viele miese Karmapunkte gesammelt haben, sonst wäre er nicht als kaputter Flughafen BER "Willy Brandt" zur Welt gekommen. Wenn Klaus Wowereit so weitermacht, bin ich mir ziemlich sicher, dass er in seinem nächsten Leben als Shopping Mall in einem Berliner Randbezirk daherkommen wird;-)

     

    Die East Side Gallery muss bleiben und zwar genau da, wo sie jetzt ist!

  • AS
    Antje S.

    Luxuswohnungen werden das. Davon hat Berlin schon genug. Bezahlbare Wohnungen brauchen wir und Grünflächen für alle am Wasser. Lebensqualität für alle Bürger, nicht nur für die "Besserverdiener"

  • D
    DerDemokrator

    zu Werner H.

     

    Zunächst fiele mir da der Spruch der Berthold Brecht zugeschrieben wird: "Wer aus der Geschichte nicht lernt, der ist dazu verdammt sie zu wiederholen."

    ein.

    Dabei sei festzustellen, das die reale gesellschaftliche Entwicklung der letzten 25 Jahre wesentlich stärker in Richtung einer Mauer-Gesellschaft verlief.

    Ketzerisch ließe sich sagen "Wo die Mauer in den Köpfen vorhanden ist, braucht man keine richtige Mauer mehr"

     

    Die zwei Wohnhäuser könnten dann als Denkmal für das heutige "Mauerdenken" in den Bereichen Mieten,Arbeitsmarkt,Medizin,Sozialpolitik,etc. gelten.

     

    Ciao

    DerDemokrator

  • DP
    Daniel Preissler

    @Werner

    eine Mauer dieser Länge gibt es meines Wissens nur in China. 1400km sind ne Menge Holz bzw. Beton. Die innerdeutsche Grenze bestand zumeist aus Zaun, Wiese, nochmal Zaun, einem kleinen Weg auf der Ostseite, ab und an einem Türmchen und in manchen Abschnitten auch aus Wasser (Werra).

     

    Richtig, die East Side Gallery ist etwas anderes als die graue Wand der 80er. Aber genau diese Kombination, Erhalt bei (absurd-komisch-künstlerischer) Entfremdung, steht Stadt und Staat gut an, wie ich finde. Es ist die Verbindung zwischen Anarchronismus und Aktualität, dokumentiertem Schrecken und lustig-spöttischer Überwindung desselben.

     

    beste Grüße

    DP

  • B
    bismarckhering

    "Die Mauer" ist steinerner Zeuge, was passiert,

    wenn man es mit der "reinen Lehre" zu weit treibt.

     

    Ein solches Menetekel paßt den herrschenden

    Buchhaltern nunmal nicht ins Konzept.

     

    b.

  • F
    Frodo

    Lächerlich. Die 'Mauer' wie sie dort steht IST bereits Disneyland - ein groteskes. lustig bemaltes Zerrbild der Realität mit dem einzigen Ziel des Touristennepp. Ob dort 2 Teilstücke versetzt werden (nicht etw abgerissen, wie die MS Versenken Propagandisten verbreiten), dann ändert das an der historischen Relevanz exakt garnichts. Ich darf auußerdem daran erinnern, dass bereits ein sehr viel größeres Stück in exakt der gleichen Weise versetzt wurde - nämlich für die Öffnung der O2 World Anlegestelle...

    Jetzt soll an anderer Stelle Platz für eine Brücke geschaffen werden, also ein Element das verbindet. Scheinbar ist aber genau das nicht gewollt.

  • HS
    h s

    Als jemand, der im geteilten Berlin an der Mauer gestanden hat, empfand ich die East Side Gallery als Disneyland.

     

    Die Gedenkstaette Berliner Mauer dagegen ist sehenswert.

  • SF
    Sabine Fischer

    Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden: Botanischer Garten - Victoria Regia Haus; Tiergarten - Verschlammung der Seen; TU nach Tegel - ungeachtet der gewachsenen Strukturen und des historischen Platzes - zumal Tegel ja noch weiterhin dringend gebraucht wird; etc pp! Die Liste der Versäumnisse ist lang!

    Das ist schon mehr als Barbarei - das ist komplettes Unverständnis gepaart mit Missachtung!

  • A
    Annette

    Seit wann ist Wowereit fürs Regieren oder gar fürs Einmischen bekannt? Hab ich noch nichts von mitbekommen.

  • P
    Pete

    Ausländische Touristen in Berlin: Where ist the wall ? Antwort der Einheimischen: Gone with the wind. Was folgt ist abreisen, sie bleiben weg, die Hostals und teuere Hotels und Restaurants können sie auch woanders haben wo es wärmer ist und lustiger. Selber schuld kann man da nur sagen...by by good bye...

  • PG
    peter grosse

    berlin=disneylandstadt-noch nicht gemerkt?

  • A
    aujau

    Die Bauherren, die mit ihren Superprojekten in Berlin profitieren wollen, zerstoeren genau das, was Berlin hip macht. Ob sie merken, dass damit der Anfang fuer eine Blase gemacht werden koennte?

  • D
    Daniel

    Kann deinen Aspekt ja verstehen, aber mit so nem rassistisch-abwertenden Begriff wie "Barbar" kriegste mich nich überzeugt.

  • WH
    Werner H.

    Ehrlich gesagt, wenn ich die Wahl hätte zwischen einer Mauer mit symbolischer Bedeutung, von der es insgesamt 1400km gab und einer Fußgängerbrücke und zwei Wohnhäusern, würde ich mich immer für letzteres entscheiden ...