Kommentar EU-Grenzschützer Frontex: Der Zaun wird höher
Die EU-Kommission schlägt neue Regeln für die Seegrenzenüberwachung vor. Mit der Genfer Flüchtskonvention sind sie nicht zu vereinbaren.
W er um Asyl bitten darf, entscheidet in Zukunft Frontex. Das wird die Folge der neuen Regeln zur Seegrenzenüberwachung sein, die die EU-Kommission jetzt durchsetzen will. Schon bislang haben nationale Küstenwächter Flüchtlingsboote gestoppt, abgedrängt oder ihre Insassen dorthin zurückgebracht, wo sie gestartet waren – etwa nach Libyen oder Mauretanien. Mit der Wahrung des Rechts auf Asyl hatte das nichts zu tun. Deswegen war es völkerrechtswidrig. Ländern wie Italien war dies egal – bis Gerichte es dafür verurteilten.
Jetzt sollen auch die von der EU aufgestellten Frontex-Einheiten so verfahren dürfen. Wer den von der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström ausgerufenen „Schutzraum Europa“ überhaupt noch aufsuchen kann, wird damit in das Belieben der EU-Grenzbeamten gestellt. Und die werden sich an ihrem eindeutig formulierten Auftrag orientieren: Ihre Behörde wurde schließlich nur dazu aufgebaut, „unbefugte Grenzübertritte“ zu verhindern. Und als solcher gilt die Einreise Asylsuchender, die dafür so gut wie nie ein Visum bekommen.
Wie sich die Legalisierung der Zurückschiebungen mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbaren lassen soll, bleibt das Geheimnis der EU-Kommission. Doch bis über die Klage eines betroffenen Flüchtlings in Straßburg entschieden wird, werden Jahre vergehen – und mindestens so lange kann die für Europa so praktische Regelung angewandt werden.
Die einzige Grenze findet die Rückschieberei bis dahin in der Aufnahmebereitschaft vor allem der nordafrikanischen Mittelmeer-Anrainer. Diese Länder zu motivieren – darin hat Europa seit Jahren Übung: Mit entsprechenden Zahlungen dürften Libyen und andere auch künftig jeden Flüchtling nehmen, den Europa loswerden will.
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