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Kommentar EU-FlüchtlingspolitikSolidarität ist machbar

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Die Quote ist gescheitert. Europa braucht einen Rettungsfonds für Flüchtlinge – und legale Einwanderungsmöglichkeiten.

Gen Italien – und dann? Foto: dpa

S ie haben nichts dazugelernt. Zwei Jahre nach der großen Flüchtlingskrise 2015, die eigentlich eine Krise der euro­päi­schen Solidarität war, haben die EU-Politiker schon wieder versagt.

Italien hatte um Hilfe gerufen, weil es mit den Bootsflüchtlingen aus Libyen nicht mehr allein fertigwird. Doch statt ihre Häfen für die Boatpeople zu öffnen, setzen die EU-Länder auf weitere Abschottung. Künftig soll die Seegrenze zu Libyen noch stärker überwacht werden; Hilfsorganisationen werden an die Leine gelegt. Zudem entsteht eine zweite unsichtbare Mauer in der Wüste – die EU will auch Südlibyen abriegeln.

Damit wird die „Sicherung der Außengrenzen“ endgültig nach Afrika ausgelagert. Nachdem die EU zunächst die Türkei eingespannt hatte, um Flüchtlinge aus Syrien zu stoppen, sollen nun auch die Maghrebstaaten Türsteher spielen. Das Auslagern der Verantwortung kann jedoch bestenfalls Entlastung bringen, eine Lösung ist es nicht. Für Griechenland nicht, wo immer noch Zehntausende festsitzen. Und für Italien nicht, wo die Wut auf die EU wächst.

Doch wie könnte eine solidarische Lösung aussehen? Was könnte die EU tun, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen? Ein erster Schritt wäre, sich diese Fehler endlich offen einzugestehen.

Man kann ein Willkommenskultur nicht erzwingen

Es war ein Fehler, die Binnengrenzen abzuschaffen, ohne den EU-Ländern an den neuen Außengrenzen zu helfen. Ungarn, Griechenland und Italien standen allein im Regen – und reagierten entsprechend eigensinnig. Es war auch ein Fehler, die Asylverfahren allein den Südstaaten aufzubürden. Die dafür verantwortliche ­Dublin-Verordnung ist Teil des Pro­blems, nicht Teil der Lösung. Dennoch will die EU zurück zu Dublin.

Verkehrt war auch, auf eine Umverteilung der Flüchtlinge per Quote zu setzen. Die Quote funktioniert nicht und wird nie funktionieren. Menschen lassen sich nicht umverteilen wie Vieh. Ihre Flucht hat ein Ziel, das sich nicht bürokratisch vorschreiben lässt.

Bis heute ist es in Brüssel tabu, über diese Fehler zu reden. Man setzt auf eine zentrale Verwaltung der Krise, die neuerdings sogar mit Vertragsverletzungsverfahren erzwungen werden soll. Doch auch das ist ein Irrweg. Denn man kann auf dem Rechtsweg keine Willkommenskultur herbeizaubern. Selbst empfindliche Strafen werden Polen, Ungarn und Tschechien nicht von ihrem Sonderweg abbringen und zu weltoffenen Ländern machen.

Angela Merkel ist verantwortlich

Was man allerdings sehr wohl tun kann und tun sollte, ist, Solidarität einzufordern. Wer keine Flüchtlinge aus Italien oder Griechenland oder anderswoher aufnehmen will, soll in anderer Form helfen oder zahlen.

Wir haben einen Eurorettungsfonds, warum schaffen wir keinen Flüchtlingsrettungsfonds? Die EU-Länder haben für die autoritär regierte Türkei bezahlt. Warum sollten sie nicht für demokratische EU-Staaten in Not zahlen? Die EU sollte sich als Einwanderungsland betrachten. Deutschland und viele andere Länder brauchen ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild, mit dem sie die Zuwanderung auch steuern können.

In Kanada geschieht dies über jährlich festgelegte Kontingente. Warum sollte das nicht auch hier möglich sein? Wer die Festung Europa ausbaut, muss auch über legale Zugangswege nachdenken, wenn das Asylrecht nicht auf der Strecke bleiben soll. Kontingente sind eine mögliche Lösung.

Für solche Alternativen braucht man allerdings politischen Willen. Doch der fehlt – in Brüssel wie in Berlin. Ausgerechnet die „Flüchtlingskanzlerin“ steht auf der Bremse. Angela Merkel ist sogar maßgeblich verantwortlich für all die schmutzigen Deals, die die EU jetzt reihenweise schließt. Auch sie hat aus 2015 nichts gelernt – außer, dass sich „das“ nie wiederholen darf. Doch genau deshalb wiederholt es sich immer wieder. Gestern in Griechenland, heute in Italien. Und morgen?

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Kaum eine europäische Regierung wird unbegrenzte Möglichkeiten zur legalen Migration schaffen.

     

    Die begrenzte Möglichkeit zur legalen Migration ist indes keine Lösung, was tut man hier mit denen die trotz Absage kommen?

     

    Man wünscht sich ja eine Steuerungsmöglichkeit bei der Migration und die ist durch die Schaffung von legalen Möglichkeiten halt nicht gegeben. Nicht wenn mehr kommen wollen als es legale "Plätze" gibt.

     

    Die "Festung Europa" wird ab Herbst 2017 errichtet werden. Angie wird ihr neoliberales Lieblingskind EU nicht wegen Armutsflüchtlingen weiter kollabieren lassen...

     

    Btw, was Kontingente mit Asyl zu tun haben ist mir schleierhaft. Hier werden das Asylrecht, das Flüchtlingsstatut, der subsidiäre Schutz und Migration aus wirtschaftlicher Not durcheinandergeworfen. Das ist vollkommener Unsinn.

     

    "Kontingente" im Asylrecht wünscht sich die CSU auch, dort nennt man das "Obergrenze".

     

    Ausserdem, das Beispiel Kanada hinkt. Es latscht kein Afrikaner über den Balkan nach Kanada und mit Schlauchbooten kommt man da auch nicht rüber. Es ist eine vollkommen andere Situation, die Kandier können frei entscheiden wer kommt und wie viele kommen ("Obergrenze").

     

    Kanada achtet sehr darauf weit überwiegend nur sehr qualifizierte Zuwanderer zu haben, der Anteil der Flüchtlinge lag 2016 unter 15%. Wer das nicht glaubt möge mal die Homepage der kanadischen Einwanderungsbehörde aufsuchen und sich selbst "testen".

  • Wir haben einen Eurorettungsfonds, warum schaffen wir keinen Flüchtlingsrettungsfonds?

     

    Die Antwort auf die Frage ist recht einfach: Weil dann jedes Land lieber in den Fonds einzahlen würde. Was wäre ein angemessener Preis pro Flüchtling? Mindestens 10 Jahre Unterbringung, Lebensmittel, Ausbildung, Ausbau der Verwaltung. Hmm, 1 Mio. ist als Untergrenze wahrscheinlich realistisch.

  • Machen wir uns nichts vor: diejenigen die jetzt in den Booten sitzen, hätten auch mit einem Einwanderungsgesetz nicht die geringste Chance. So traurig es ist. Sie sind männlich, arm und ohne Ausbildung. Die will kein Land freiwillig haben.

  • "Deutschland und viele andere Länder brauchen ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild, mit dem sie die Zuwanderung auch steuern können."

     

    Kanada hat in 2016 ca. 300000 Migranten (davon ca. 40000 Flüchtlinge) aufgenommen (brutto). Mehr wird's auch nicht.

    Deutschland hatte in den letzten Jahren (lassen wir die Ausnahmejahre 2014-2016 außer Acht) eine Zuwanderung von ca. 600.000-900.000. Kommt aufs Gleiche hinaus.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    "Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz nach dem Vorbild Kanadas.!"

     

    Hätte nie gedacht, dass ich diesen Satz einmal in der TAZ lesen kann.

    DANKE!

     

    ...und "das" , wie Merkel sich ausdrückt, darf wirklich nicht mehr passieren.

    Unkontrollierte Einreise darf nicht mehr vorkommen.

  • Guter Kommentar, eine Kontingentlösung muss her. Akllerdings heißt das auch, dass das Asylrecht stark abgeschwächt werden muss. Sonst funktioniert das mit - zusätzlichen - Kontigenten nicht.