Kommentar E10-Benzingipfel: Ölkonzerne müssen umdenken
Die Verbraucher haben gezeigt, dass sie sich nicht alles bieten lassen. Wenn die arroganten Mineralölkonzerne nicht umdenken, werden sie auf E10 sitzen bleiben.
W as machen Unternehmer, wenn sie ein neues Produkt in den Markt drücken wollen? Sie sorgen dafür, dass es besser oder billiger ist als vergleichbare Produkte - oder dass die Verbraucher das glauben. Dieses Einmaleins der Marktwirtschaft haben die Mineralölkonzerne vernachlässigt, nachdem sie von der Politik verpflichtet wurden, die neue Benzinsorte E10 anzubieten, die bis zu 10 Prozent Ethanol vom Acker enthält. Keine Werbekampagne, keine Dumpingpreise - nichts.
Das alles ist Ausdruck der Arroganz der Ölwirtschaft, die noch jede Benzinpreiserhöhung durchgesetzt hat und glaubt, den Verbrauchern alles zumuten zu können. Sie sollte schnell umdenken, weil sie sonst auf E10 sitzen bleibt.
Denn bislang boykottieren die Verbraucher das neue Benzin. Zu Recht. Der Preis-Leistungs-Vorteil gegenüber dem herkömmlichen Sprit ist viel zu gering, als dass die Deutschen den Motoren ihrer Autos auch nur ein geringes Restrisiko zumuten wollen. Dennoch hat der Boykott des Agrosprits, den die Umweltverbände aus Furcht vor Monokulturen auf den Äckern ablehnen, nichts mit einem gestiegenen Umweltbewusstsein der Autofahrer zu tun. Wenn E10 risikolos und günstig ist, werden sie diesen Sprit tanken.
RICHARD ROTHER ist Redakteur im Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz.
Letztlich geht es beim Agrosprit nicht um den Umwelt- oder Klimaschutz, sondern vor allem darum, die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern. Ohne Erdöl keine Computer, Windräder, Medikamente: Erdöl ist ein viel zu wertvoller Rohstoff, um ihn zu verbrennen. Klar, Ölsparen ist vorrangig, aber auch ein 3-Liter-Auto braucht Benzin.
Selbst der Strom für Elektroautos und Bahnen ist nicht öko. Deshalb ist die - maßvolle - Verbreiterung der Rohstoffbasis der modernen Mobilität sinnvoll. Früher wurden Fuhrwerke von Pferden gezogen, die Hafer vom Feld fraßen; heute tanken Autos Pflanzensprit. Wenn negative Folgen bedacht und minimiert werden, muss das nicht schlimm sein. Dreckiger als Erdöl geht es kaum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos