piwik no script img

Kommentar Drogenkartelle in MexikoDie Kartelle sind außer Kontrolle

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Der Platz, den sich die Drogenkartelle erobert haben, ist ihnen kaum noch streitig zu machen. Die Debatte über eine Drogenlegalisierung kommt zu spät.

S ieht eigentlich noch jemand hin? 53 Menschen wurden am Donnerstagnachmittag in einem Spielcasino in Monterrey ermordet - mehr, als der deutschen RAF in den 28 Jahren ihrer Existenz zum Opfer fielen. In Mexiko jedoch sind es einfach 53 mehr in einem Gewaltexzess, der in den letzten fünf Jahren über 42.000 Menschen das Leben gekostet hat.

Der Platz, den sich die Kartelle in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und in den Sicherheitskräften mit Waffen und Geld erobert haben, ist ihnen kaum noch streitig zu machen. Es gibt einfach keinen Akteur, der das könnte.

So martialisch der Staat in Gestalt des Militärs in diesem "Krieg" auftritt, so sehr offenbart die pausenlose Alltagsgewalt seine Schwäche. Alle paar Wochen vermeldet die Polizei stolz die Verhaftung eines führenden Kartellmitglieds - doch niemand glaubt mehr, damit den Prozess der mexikanischen Selbstzerstörung aufhalten zu können.

Bild: taz
BERND PICKERT

ist Redakteur im Auslandsressort der taz.

Hintergrund des Anschlages war Schutzgelderpressung, und das ist ein Hinweis darauf, dass die Kartelle ihre Geschäftsfelder längst diversifiziert haben. Schutzgelderpressung und Entführung gehören fest zum Portfolio, und wo gewaschene Gelder in der legalen Wirtschaft investiert werden, ist nur ansatzweise bekannt. Das hat nichts mehr mit jenem folkloristischen Mystizismus zu tun, den etwa die Sänger der Narco-Corridas einzelnen Capos andichten.

Es zeigt aber auch, dass die Debatte über eine Drogenlegalisierung, wie sie endlich in den Konsumentenländern geführt wird, zu spät kommt. Eine Legalisierung heute würde das derzeit noch wichtigste Geschäftsfeld der Organisationen zerstören, aber die Organisationen würden auf andere Felder ausweichen, in denen sie längst aktiv sind. Je mehr Zeit man ihnen für diesen längst eingeleiteten Umstrukturierungsprozess gibt, desto leichter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!