Kommentar Doping-Urteil: Im Zweifel für die Angeklagten
28 russische Sportler waren wegen systemischen Dopings verurteilt worden. Das Schiedsgericht hebt ihre Strafen auf. Das sollte man wertschätzen.
E rst lebenslange Sperre, dann Freispruch. Wenn Urteile sich von einem Extrem ins andere wenden, dann kann das nur daran liegen, dass die jeweils Urteilenden völlig Unterschiedliches in den Blick genommen haben. In diesem Fall ist das Verzwickte, dass man für beide Sichtweisen gute Gründe vorbringen kann.
Das Internationale Olympische Komitee wollte – ausgehend von der Erkenntnis, dass in Russland systemisches Doping betrieben wurde – die Profiteure des Systems abstrafen und an ihnen ein Exempel statuieren. Angesichts der massiven Betrugsversuche wurde vom IOC ein entsprechend starkes Zeichen erwartet. Das Ergebnis waren 43 lebenslange Sperren für russische Sportler. Das Prinzip Abschreckung war dabei leitendes Motiv.
Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat nun nach dem Einspruch der russischen Sportler 28 lebenslange Sperren in einen Freispruch verwandelt. Elf weitere exkommunizierte Russen dürfen bereits nach den Winterspielen in Pyeongchang wieder mitmachen. In seiner Urteilsfindung, betonte das CAS, habe man sich strikt darauf beschränkt, über die jeweils individuelle Verantwortung zu richten. Die Beweislast sei nicht ausreichend gewesen, um zu einem anderen Urteil zu kommen.
Die Wellen der moralischen Empörung werden nach diesem CAS-Richterspruch weltweit gewiss hoch schlagen. Dass aber in diesem Fall auch im Sport rechtsstaatliche Grundsätze – im Zweifel für den Angeklagten – nicht außer Kraft gesetzt werden, sollten alle wertschätzen, die nicht selbst Opfer eines Willkürsystems werden wollen.
Russische Sportler stehen derzeit unter Kollektivschuldverdacht. Gemeinsam mit ihnen will man auch das System in Haftung nehmen. Das IOC sollte sich stattdessen mehr über Sanktionsmaßnahmen Gedanken machen, die direkt auf die verantwortlichen Organisatoren des systemischen Dopings in Russland zielen. Diese wollen mit den Erfolgen ihrer Athleten nationale Stärke demonstrieren. Der Entzug von sportlichen Großveranstaltungen etwa würde sie gewiss schmerzen.
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