Kommentar Dobrindts Maut-Pläne: Das Abendland ist nicht in Gefahr
Die vom Verkehrsmisnister favorisierte Vignetten-Lösung setzt keine ökologischen Anreize. Dafür ist sie aber wenigstens praktikabel.
D ie Deutschen sind Reiseweltmeister. Jahr für Jahr zieht es im Sommer Millionen ins europäische Ausland, oft mit dem Auto. Und was erleben sie dort? In fast allen Ländern – außer in den häufig verregneten Beneluxstaaten – müssen sie Autobahngebühren bezahlen, entweder streckenabhängig oder per Zeitkarte.
Auch wenn es viele gute Gründe gegen Streckenmaut- oder Vignettenpläne in Deutschland gibt – sollte die Bundesregierung solche Autobahnbenutzungsgebühren einführen, geht nicht das Abendland unter, sondern Deutschland passte sich schlicht der europäischen Normalität an.
Viele Reisende aus Deutschland – etwa in Polen oder Tschechien, in Slowenien oder Kroatien – zahlen die paar Euro Maut gern. Sie sehen: Dank neuer Autobahnen sind sie dort viel schneller als vor zehn Jahren am Ziel, als sie sich gemeinsam mit Lastern über Landstraßen und durch Dörfer quälen mussten. Infrastruktur kostet eben, und warum sollen die in- und ausländischen Nutzer nicht dazu beitragen? Jeder Bahnfahrer zahlt über seine Fahrkarte einen Teil der Trassennutzungsgebühren der Züge, obwohl er als Steuerzahler schon den Schienenbau finanzierte.
Sicher, die Vignette von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) differenziert nicht zwischen Viel- und Wenigfahrern und schafft so keine ökologischen Anreize. Aber sie ist praktikabel – ganz im Unterschied zur streckenbezogenen Maut, deren Erhebungskosten viel zu hoch wären und die eine Totalüberwachung der Autofahrer nach sich ziehen würde. Dann schon lieber die Vignette.
Aber droht künftig nicht, dass Mautflüchtlinge die unfallträchtigen Landstraßen verstopfen? Gemach: Kein Niederländer, der an die Adria will; kein Pole, der zur Arbeit nach Großbritannien fährt; und kein Franzose oder Italiener, der seinen Umzug ins überfüllte Berlin organisiert, wird auf Landstraßen ans Ziel tuckern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe