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Kommentar DijsselbloemZypern als Blaupause

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

EU-Währungskommissar Dijsselbloems Worte waren wohl doch ein Testballon: Zypern wird zum Versuchslabor für eine neue, nur scheinbar gerechtere Form der Eurorettung.

Verschmitz: der Chef der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem. Bild: ap

A uf den ersten Blick ist die Affäre nur peinlich. Der neue Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, hat versucht, den Zypern-Deal zu erklären, und sich dabei laut krachend auf die Nase gelegt. Zypern sei ein Modell für andere Euroländer, sagte der Niederländer.

Kaum war das Interview raus, ruderte Dijsselbloem wieder zurück. Zypern sei doch kein Modell, sondern ein Einzelfall, er sei falsch verstanden worden. Ganz Europa lachte über den Newcomer, der von Finanzminister Schäuble persönlich ins Amt gehievt worden war und als politisches Leichtgewicht gilt.

Doch es steckt mehr dahinter. Dijsselbloems Worte und Schäubles Taten waren wohl doch ein Testballon. Wenn es in Zypern funktioniert, können wir es auch anderswo machen, müssen sich der deutsche Kassenwart und sein niederländischer Laiensprecher gedacht haben. Zypern wird, ob es will oder nicht, zum Versuchslabor für eine neue, nur scheinbar gerechtere Form der Eurorettung.

privat
Eric Bonse

ist Korrespondent der taz in Brüssel. Sein Schwerpunkt ist die Finanz- und Eurokrise.

Künftig sollen nicht mehr nur die Steuerzahler, sondern Anteilseigner und Anleger für die „Rettung“ von Pleitebanken zahlen. Und Länder, die große Finanzzentren beheimaten, sollen ihr „Geschäftsmodell“ ändern, wenn es kracht. Das klingt gut, ist aber problematisch. Denn wer legt fest, welche Bank welche Verluste tragen muss? Und wer sagt, welches „Geschäftsmodell“ tragfähig ist?

Dijsselbloem jedenfalls kann sich das nicht anmaßen. Sein Land, Holland, steckt selbst tief in einer Bankenkrise. Der Eurogruppenchef sollte daher besser schweigen. Und Schäuble muss endlich Farbe bekennen.

Wenn er die Strategie der Euroretter ändern will, dann soll er das offen sagen. Auf das „Modell Zypern“ wird er sich dabei allerdings nicht berufen können. Denn was als „Rettung“ verkauft wurde, ist in Wahrheit ein Ausverkauf.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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16 Kommentare

 / 
  • DD
    Daniel Diessen

    In der Sache hat Dijsselbloem doch recht: Die Euro-Staaten, die einen aufgeblähten Bankensektor haben, müssen dafür sorgen, dass ihre Banken nicht in eine Schieflage geraten, weil dann Europa nicht haften wird, wie in Zypern endlich mal geschehen. Das Mittel dazu: das Eigenkapital der Banken erhöhen, auch wenn dadurch Gewinne und den Kunden offerierte Zinsen sinken. Besser als crashen. Das hat Dijsselbloem gemeint. Dass die Börsen ob dieser sinnvollen Ziele verrückt spielen, zeigt nur, wie viele vom Schneeballsystem profitieren (wollen).

  • EL
    Ernst Lehmann

    Mein Bedauern für deutsche und russische Besserverdienende, die ihr Geld nach Zypern geschafft haben und darüberhinaus noch üppige Zinsen bekommen haben, hält sich in Grenzen. Wenn das die neue Zielgruppe der taz ist, bitteschön.

  • J
    jenny

    Warum schiesst der TAZ Brüssel-Journalist so gegen

     

    den neuen EURO-Gruppenchef??

     

    War ihm Juncker lieber, der immmer den über-

     

    dimensionierten Banken/-Finanzplatz Luxemburg

     

    im Auge hatte, damit Schaden von ihm gehalten wurde,

     

    u. der Nutzen gemehrt wurde wie durch laxe Regulier-

     

    ung u. das Herbeireden von "Eurobonds", die dort ein

     

    Riesengeschäft werden würden !!

     

    Nein, die Eurozone sollte froh sein, dass dieser

     

    Bankenkumpan endlich abgelöst wurde.

     

    Der Holländer ist ein nüchtern rechnen der realistischer Kaufmann, der weiss, dass die Kosten

     

    bei den VERURSACHERN der Finanzkrise reingeholt

     

    werden müssen.

     

    Daher auch die Milliarden-Abwicklung einer nieder-

     

    ländischen Bank, bei der die Eigentümer u. Anleihe-

    gläubiger Milliarden Eu. abschreiben mussten, nicht

    aber die Sparer ( die einlagen wurden auf andere

    Banken übertragen!)

     

    Das unqualifizierte Gerede der Franzosen soll nur

    von den wackeligen französischen Grossbanken ab-

    lenken, die sich mit Pigs-Staatsanleihen vollge-

    saugt haben u. allein italienische Anleihebn von

    ca. 400 Mia. Eu. halten !

    Ebenso in Spanien haben die Banken noch faule Kredite

    von über 200 Mia. Eu.

     

    Gerade für diese Länder ist Zypern in etwa die "Blau

     

    pause" : marode Banken schließen, Eigentümer u. An-

    leihegläubiger an den kosten beteiligen, wenn das nicht reicht, dann auch die "Grosssparer" mit über

    100000 Eu!

    Es wird Zeit dass Klartext geredet wird, die

    Steuerzahler der NordEuroländer haben mit dem ESM

    Volumen ihre Rettungspflichtschuldigkeit mehr als

    getan.

    Alles Geschrei gegen D. zeigt nur auf die wahren

    Krisenverursacher u. Gewinnler zurück, dazu zählt

    in forderster Linie auch Luxemburg: als Quasi-

    steueroase, Staatsfinanzierer europaweit u. Sitz von

    1000den Fonds, die auch ihr "Eurospiel" machen!

  • A
    Arne

    "Künftig sollen nicht mehr nur die Steuerzahler, sondern Anteilseigner und Anleger für die 'Rettung' von Pleitebanken zahlen. Und Länder, die große Finanzzentren beheimaten, sollen ihr 'Geschäftsmodell' ändern, wenn es kracht. Das klingt gut, ist aber problematisch. Denn wer legt fest, welche Bank welche Verluste tragen muss? Und wer sagt, welches 'Geschäftsmodell' tragfähig ist?"

    Hä???

    Wer legt das denn sonst fest, wenn die Rettung über Sozialabbau und Steuererhöhungen gemacht wird? Das ist kein Argument gegen die Beteilligung von Anlegern und Anteilseignern, sondern höchstens ein Argument gegen die Euro-Rettung insgesamt.

     

    Und:

    "Dijsselbloem jedenfalls kann sich das nicht anmaßen. Sein Land, Holland, steckt selbst tief in einer Bankenkrise. Der Eurogruppenchef sollte daher besser schweigen. Und Schäuble muss endlich Farbe bekennen."

    Was soll denn dieser blöde nationalistische Satz? Dijsselblomm ist seit November 2012 Finanzminister der Niederlande und hat wohl wenig mit der dortigen Bankenkrise zu tun. Darf ein Europäer sich jetzt nur noch äußern, wenn im eigenen Land keinerlei Krisen bestehen. Ich werde auch nicht die Deutsche Bank schützen, nur weil ich zufällig Deutscher bin. (Und es würde mich freuen, wenn das der deutsche Finanzminister auch mal sein lassen würde.)

    Btw. wäre ich froh, wenn wir in der BRD die Produktivität, das Einkommen und die Sozialleistungen der Niederlande hätten. Pro Kopf ist Deutschland nämlich noch lange nicht die stärkste Wirtschaftsmacht in der EU. Da ist u.a. Niederlande klar besser.

  • B
    Beausoleil

    Wieso das? Weil der besser lügen konnte? Und das auch noch zugab?

    Das nächste Kapitel des Testlaufs beginnt wohl am Donnerstag, wenn in Zypern die Banken wieder öffnen.

  • P
    Peter

    Ich bin enttäuscht von der Zypern-Berichterstattung der taz. Vor ein paar Wochen habe ich erstmals den "International Herald Tribune" gelesen, dort war auf der Titelseite ein Artikel über Dijsselbloems Agenda als Euro-Gruppen-Chef zu finden - man konnte da schon nachlesen, dass Dijsselbloem ganz offiziell die Belastung von "Kunden" kaputter Banken anstrebt. Das ist also gar nichts neues (siehe auch http://www.swas.polito.it/services/Rassegna_Stampa/dett.asp?id=4028-168448239).

     

    Vor allem zeigt es, dass eben nicht allein Deutschland die Richtung der Zypern-Rettung vorgegeben hat, sondern dass Dijsselbloem schon seit einigen Wochen und ganz ganz offen genau mit diesem Plan die Euro-Krise angehen will. (Ob das nun eine gute Idee ist oder nicht, ist eine andere Frage...)

     

    Es kommt noch dazu: Zypern war noch nicht einmal das erste Mal, das dieser Plan umgesetzt wurde: die niederländische (!) Bank SNS Reaal wurde nur unter der Bedingung mit Geld vom Staat versorgt, dass neuere Anleger ihr Geld verlieren. Gut, hier handelt es sich nicht um einen ganzen Staat wie bei Zypern, aber da hat Dijsselbloem seinen Plan eben erstmals (und wie gesagt: ganz offen) angewandt.

     

    (Damit erübrigt sich übrigens auch der Titelkommentar in der heutigen taz-Print-Ausgabe von Ulrike Herrmann: "Die Anleger [...] werden danach streben, aus ihrem spanischen oder italienischen Euro einen deutschen oder niederländischen [!] Euro zu machen." - der IHT-Artikel von vor 4 Wochen berichtet gerade über einen griechischen Anleger, der sein Geld eben in einer niederländischen Bank verloren hat.)

     

    Nix neues also! Aber in der taz wird die ganze Zypern-Sache leider wie in anderen mainstream-Medien fast nur im Rahmen des Deutschland-Feindbilds diskutiert...

  • A
    Aletheia

    El Magico @ "Da wünscht man sich Jean Claude Junckers zurück."

     

     

    J.-C. Juncker, Dez. 1999: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."

  • RT
    reiner tiroch

    da war schon zu lesen dass Spanien die kleinspaer angeht, und schwupp, war die Meldung aus dem NET. dazu kommt, dass die kapitalverkehrskontrolle in Zypern hoffnungslos versagt hat. da wird bei öffnung am DO nichts mehr da sein weil die großen schon abgehaut sind. aber das ist ja nur eine Ausnahme, gell?

  • JS
    John Smith

    Da bin ich ja echt froh, daß uns in Deutschland dann sowas nicht passieren kann. Wir haben ja schließlich Frau Merkel, die über uns wacht und uns beschützt.

  • E
    Erlkönig

    Was für ein Unfug. Schäuble kann die übrigen Mitglieder Euro-Gruppe zu nichts zwingen.

  • T
    Thomas

    Wieder mal ein Taz-Sinnlos-Kommentar. Endlich mal werden vorrangig die wohlhabenden Krisen-Nutznieser zur Begleichung des entstandenen Schadens herangezogen und dann ist es dem scheinbar so schlauen Autor auch nicht recht. Das ganze sei nämlich ein böser Ausverkauf! Begründung? Fehlanzeige! Besserer Lösungsvorschlag? Fehlanzeige! Warum nicht wieder mal mit tiefgründiger Analyse statt linkspopulistischem Geplapper versuchen? Dann laufen auch nicht die Leser davon.

  • S
    Schwadronierer

    Es ist durchaus nicht sicher, dass Berlin in Europa machen kann, was es möchte. Als die Wehrmacht 1941 vor Moskau im Schnee stecken blieb, dauerte es vier lange Jahre bis dieser Kontinent von der deutschen Vorherrschaft befreit war. Ich rechne nicht damit, dass die internationale Branche der Investmentbanker so lange wartet bis sie "Frrrau Merrrkel" zeigt, wo die Grenzen der Wirtschaftsmacht Bundesrepublik Deutschland liegen. Noch kuschen wesentliche Teile der internationalen Finanzwelt vor Berlin. Das muss nicht immer so bleiben.

  • TL
    Tim Leuther

    @El Magico

    Den Schutzpatron der Steueroasen? Bloß nicht. Luxemburg kann gerne den Retter spielen, aber bitte auf eigene Rechnung. Haben ja genug Geld dadurch das die LKW Flotte Europas in dem kleinen Land tanken tut.

  • TL
    Tim Leuther

    Jetzt hat man es schwarz auf Weiß:

    Die taz ist so sehr bis ins Mark keyneseanistisch, das Sie vergessen haben links zu sein.

     

    Lieber dem kleinen Mann die Rente wegdrucken, als das jemand mit über 100.000 bei seinen Fehlinvestitionen -JA Bankeinlagen SIND Investitionen- Verluste erleben darf.

  • H
    habnix

    Nach dem Motto dürften ja Kunden der Deutschen Bank bald kalte Füße bekommen. Die Finanzlobby wird den Eurokraten schon die richtige Gebrauchsanweisung schreiben und das Marionettchen plappert dann alles nach. Schon gehabt und bald wieder in diesem Programm........!

  • EM
    El Magico

    Da wünscht man sich Jean Claude Junckers zurück.