Kommentar Dienstwagen-Dilemma: Vom Skandalgeschrei getrieben
Ob Schmidt zu halten ist oder nicht, war eine politische Frage. Und Steinmeier hat sich nicht getraut, sie schnell und klar zu beantworten.
D ie angebliche Dienstwagen-Affäre der Bundesgesundheitsministerin ist bisher die größte Absurdität des Wahlkampfes. Und sie endet genauso peinlich, wie sie angefangen hat. Es ist durch die Fahrerei kein Schaden fürs Land entstanden, urteilt der Rechnungshof. Ulla Schmidt darf jetzt doch in sein Kompetenzteam, urteilt daraufhin SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier. Er möchte gerne als entschieden Handelnder erscheinen, doch sein Agieren erweckt einen anderen Eindruck: Er wirkt wie ein Getriebener.
Natürlich ist es richtig, eine altgediente Ministerin nicht wegen einer Petitesse fallen zu lassen. Doch Steinmeier trifft diese Entscheidung viel zu spät. Wochenlang wartete er ab, wie der Fall in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, auch jetzt orientiert er sich am Votum des Rechnungshofes. Dessen Einschätzung jedoch war vorhersehbar. Der Rechnungshof kontrolliert das Wirtschaften der öffentlichen Verwaltung und prüft, ob alle Vorschriften eingehalten werden. Dass dies bei den Spanienfahrten der Fall war, wurde jedoch von kaum jemandem ernsthaft bezweifelt.
Was der Rechnungshof sagt, ist bei der Dienstwagen-Posse also unwichtig. Ob Schmidt zu halten ist oder nicht, war keine formale, sondern eine politische Frage. Und Steinmeier hat sich nicht getraut, sie schnell und klar zu beantworten. Denn dafür hätte er sich gegen das Skandalgeschrei mancher Medien stemmen und den WählerInnen einige unbequeme Dinge sagen müssen. Dass es sich weniger um einen politischen Skandal als um eine Neiddebatte handelte zum Beispiel, dass politisches Spitzenpersonal zu Recht Privilegien genießt und dass auch fehlendes Fingerspitzengefühl noch kein hinreichender Grund für einen Rausschmiss ist. Für diese Diskussion fehlte Steinmeier der Mut. Kein glückliches Bild für einen Mann, der Kanzler werden will.
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