Kommentar Die Lieblinge in der CDU: Pragmatisch, praktisch, mittig
Stürzt Koch, ist der Weg im Post-Merkel-Zeitalter frei für den Niedersachsen Christian Wulff. Er könnte der nächste Kanzlerkandidat sein.
A lle schauen nach Hessen. Dabei stellt die Wahl in Niedersachsen die Weichen für das Land viel nachhaltiger als der mögliche Sturz des Populisten Roland Koch. Die Umfragen sagen in Niedersachsen nicht nur einen klaren Sieg für Christian Wulff voraus. Sie prophezeien gleichzeitig, dass er das parteiinterne Duell gegen seinen alten CDU-Rivalen in Wiesbaden haushoch gewinnt. Bislang galt der CDU-Hardliner Koch als Liebling der Partei, der Weichmacher Wulff war nur ein Umfragesieger. Doch nach seinen ausländerfeindlichen Attacken ist Koch auch für weite Kreise der mittigen Union nicht mehr als Thronfolger von Angela Merkel denkbar. Stürzt Koch, ist der Weg im Post-Merkel-Zeitalter frei für Wulff. Mit ihrer Mitte-Politik hat die Parteichefin den Niedersachsen geradezu nach Berlin eingeladen.
Es wäre ein genialer Schachzug. Sein Image ist das des konsensualen Regierungschefs, eines Pragmatikers, der auf Ideologien pfeift. Aber Wulff kann auch Hardliner sein. Tadellos hat er seine teils stockkonservative Klientel zwischen Harz und Heide in den vergangenen fünf Jahren bedient. In seinem Namen hat sich Niedersachsen den Ruf eines gnadenlosen Abschiebelands erworben. Oder: Während andere schwarze Kurfürsten unsicher wurden, betonierte Niedersachsen das dreigliedrige Schulsystem. Zudem hat Wulff seinen Haushalt auch auf Kosten von lästigen Umwelt- und Sozialverbände konsolidiert.
Der Parteivize scheint mittig, kann aber auch im rechten CDU-Spektrum punkten. Dennoch hat die Opposition den aalglatten Ministerpräsidenten nie richtig packen können. Und wird es auch künftig nicht schaffen. Kürzlich hat Wulff angekündigt, noch mindestens die nächste Legislaturperiode in Niedersachsen zu bleiben. Strauchelt Merkel, wird er dennoch bereit stehen. Vor der Landtagswahl 1998 schalteten Unternehmer Anzeigen mit dem Slogan "Ein Niedersachse muss Bundeskanzler werden" - und meinten damit Gerhard Schröder. Vor diesem Wahlsonntag ist jetzt schon klar: einer der nächsten Kanzlerkandidaten der CDU wird Niedersachse sein.
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