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Kommentar DemografiegipfelSchwarzmalerei ist überflüssig

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Ausbau von Schulen und ÖPNV, bessere Kinderbetreuung, und Mehrgenerationenwohnen: Super Ideen, die auch ohne die Drohung mit Horrorszenarien realisiert werden sollten.

V ielleicht wird es ja gar nicht so dramatisch, wie es manche Demografen, Wirtschaftsexperten und Politiker behaupten. Vielleicht wird es – entgegen aller aktuellen Voraussagen – eine sichere Rente, genügend Kinder und ausreichend junge Arbeitskräfte geben. Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

Momentan scheinen die Zeichen jedenfalls eher auf Sturm zu stehen: Deutschland schrumpft und altert, die Wirtschaft wird infolge des demografischen Wandels einbrechen, das Renten- und das Gesundheitssystem explodieren, ländliche Regionen verwaisen und Großstädte platzen.

Die Bundesregierung macht also alles richtig, wenn sie sich – wie am Dienstag auf ihrem zweiten Demografiegipfel – schon heute mit den Herausforderungen der Zukunft beschäftigt.

Bild: privat
Simone Schmollack

ist Frauenredakteurin im taz-Inlandsressort.

Logische Konsequenz

Nichts ist einzuwenden gegen hochqualifizierte Arbeitskräfte, die verstärkt aus dem Ausland nach Deutschland kommen sollen. Klug sind die staatlich geförderten Mehrgenerationenprojekte, durch die das Zusammenleben von Jung und Alt eine neue Qualität erfährt.

Notwendig ist das Nachdenken über einen anderen öffentlichen Personennahverkehr in dünn besiedelten Ecken des Landes. Überfällig der Ausbau guter Schulen, nötig die Finanzierung von Universitäten. Und absolut zeitgemäß der Ruf nach mehr und besserer Kinderbetreuung – damit die gut qualifizierten Frauen nicht als „stille Reserve“ zu Hause hocken.

Alles, worüber der Demografiegipfel am Dienstag debattierte, erscheint als logische Konsequenz heraufbeschworener Horrorszenarien. Offen blieb die Frage, ob die genannten Handlungsoptionen nicht auch ohne demografischen Wandel angebracht sind.

Was spricht gegen ausländische Fachkräfte, was gegen Ganztagsschulen und was gegen vollzeitberufstätige Mütter? Grundsätzlich und jenseits aller Zukunftsprognosen? Nichts.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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5 Kommentare

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  • H
    Hannes

    Was spricht bei der vorhandenen Massenarbeitslosigkeit gegen ausländische Arbeitskräfte und Vollzeittätigkeit bei Frauen? Dass es nicht genug Erwerbsarbeit gibt, ganz einfach. Senkt die tarifliche Arbeitszeit auf 30 Stunden, und all das wird von alleine kommen, plus einer wachsenden Verhandlungsmacht der Gewerkschaften, dadurch steigende Löhne und vielleicht sogar ein Ende der Verelendung ganzer Bevölkerungsschichten.

     

    Setzt das ohne entsprechende Arbeitszeitverkürzungen durch, und die Folge wird weiteres Lohndumping sein, weitere Umverteilung von unten nach oben, weitere Verarmung und Verelendung. Wenn das Ihr Ziel ist, Frau Schmollack, herzlichen Glückwünsch für angewandte Menschenfeindlichkeit.

     

    Wenn nicht, machen Sie sich über die ökonomischen Rahmenbedingungen kundig, und posaunen Sie nicht nur Ihre Wunschbilder in die Welt, ohne Rücksicht auf deren Folgen für andere.

  • O
    oje

    Ausbau von Schulen ? Auf dem Land ? Dort werden gerade Schulen abgebaut, Lehrer entlassen.

  • SG
    Schmidt Georg

    Ausbau von Schulen, also das fängt bei uns an, indem man das Reinigungspersonal um 50% kürzt und der Hausmeister jetzt an 2 Schulen tätig ist, weil kein geld vorhanden ist, müssen die Eltern eine Abgabe bezahlen usw usw, mein Gott, wenn man diese Diskussionen liest und hört, es kann einem schlecht werden!

  • A
    Arne

    Nix?

    Und was ist mit Braindrain? Las ich da nicht erst kürzlich einen Artikel?

  • A
    anke

    Ist wirklich rein gar "nichts einzuwenden gegen hochqualifizierte Arbeitskräfte, die verstärkt aus dem Ausland nach Deutschland kommen sollen", Frau Schmollack? Das sehen die Staaten, die diese Arbeitskräfte aus Steuermitteln ihrer Bürger ausgebildet haben, womöglich etwas anders. Der "Ausbau guter Schulen" und die "die Finanzierung von Universitäten" ist nämlich auch anderswo nicht kostenlos. Höchstens umsonst. Dann nämlich, wenn die besten Absolventen nach dem Studium da hin gehen, wo das meiste Geld lockt. Grundsätzlich und jenseits aller Zukunftsprognosen spricht nichts dagegen, selbst verursachte Probleme auch selber zu lösen. Ziemlich vieles aber spricht dagegen, sich eigene Anstrengungen zu sparen – auf Kosten anderer.