Kommentar Demo-Verbot vorm Bundestag: Rasen der Republik
Die paar geschichtslosen Grashalme vor dem Bundestag sollen schützenswerter sein als das Demonstrationsrecht gegen Umweltzerstörung? Nein.
E s ist ein verschrobener Kampf zwischen David und Goliath. Goliath, das sind Zehntausende, die am Samstag ihren Protest gegen die umweltgefährdende Atompolitik der Regierung vor den Bundestag tragen wollen. Doch sie haben nicht mit David gerechnet: Das Grünflächenamt des Berliner Stadtbezirks Mitte will verhindern, dass sie die schöne Wiese zwischen Bundestag und Kanzleramt zertrampeln. Das ist ein Bild, das so recht in die entrückte Repräsentativdemokratie passt. Ein "Betreten verboten"-Schild ist wichtiger als die Transparente der Demonstrationsfreiheit.
Dabei stünden die Bürger auf dem "Platz der Republik", zwischen Parlament und Bundeskanzleramt, genau richtig. Auch wenn es weder der Bundestag noch das für den Bereich zuständige Innenministerium sind, die etwas gegen die Demo dort haben, die Macht der Bezirksbeamten über diesen Platz ist schrill genug. Als der Adidas-Konzern auf derselben Wiese zur Fußball-WM ein werbewirksames Deutschland-Stadion aufgebaut hat, fand sich natürlich eine Lösung. Und die Bilder von Bundeswehrrekruten beim Gelöbnis dürfen von hier aus in die Welt gelangen. Nur wenn das erzürnte Volk kommt, gibt es Bedenken.
Dabei macht das Anliegen der Anti-Atom-Demonstranten den Widerspruch deutlich: Während mit der atomaren Laufzeitverlängerung die Umwelt zukünftiger Generationen aufs Spiel gesetzt wird, sollen die paar geschichtslosen Grashalme vor dem Bundestag schützenswerter sein als das Demonstrationsrecht gegen Umweltzerstörung? Nein.
Martin Kaul ist Bewegungsredakteur der taz.
Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen das Gefühl haben, dass ihre Repräsentanten sie vergessen, hat diese Wiese es verdient, für die Zukunft zertrampelt zu werden. Oder wie wäre es mit einer neuen Inschrift über dem Haupteingang des Bundestages? Vielleicht: "Dem deutschen Rasen."
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