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Kommentar DemjanjukNicht der letzte seiner Art

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Demnjanjuk ist der erste US-Bürger, der an die Deutschen ausgeliefert wurde. Auch das setzt neue Maßstäbe.

D as Verfahren gegen John Ivan Demjanjuk ist eine Premiere. Zum ersten Mal wird in Deutschland einem mutmaßlichen ausländischen Helfer, der den Nazis beim Völkermord an den Juden zur Seite stand, der Prozess gemacht. Dass es erst jetzt dazu kommt, blamiert die bundesdeutsche Nachkriegsjustiz. Demjanjuk aufgrund seines hohen Alters heute nicht mehr anzuklagen, hätte allerdings bedeutet, den schlafmützigen Ermittlern aus der Adenauer-Ära nachträglich Recht zu geben. Solange Demjanjuk verhandlungsfähig ist, gilt für ihn wie für alle anderen der Grundsatz: Mord verjährt nicht.

Das öffentliche Interesse am Demjanjuk-Prozess ist ein gutes Zeichen. Allerdings: Es handelt sich dabei nicht um einen neuen Eichmann-Prozess. Demjanjuk war, wenn er denn schuldig ist, nur ein ganz kleines Rädchen im Getriebe der Nazi-Todesfabriken. Von den Nazi-Entscheidungsträgern dagegen wurden nur die wenigsten jemals zur Rechenschaft gezogen. Das ist der eigentliche Skandal, und daran können auch zehn Demjanjuk-Prozesse nichts mehr ändern.

Dennoch ist das Verfahren wegweisend. Zum ersten Mal hat die Bundesrepublik Deutschland im Vorfeld zugestimmt, dass ein mutmaßlicher NS-Täter aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland ausgewiesen wird. In den USA warten noch andere, denen wie John Ivan Demjanjuk die US-Staatsbürgerschaft entzogen wurde, weil sie Helfer der Nazis waren. Sie dürfen aber dort bleiben, weil sich kein Staat findet, der sie aufnehmen würde. Außenminister Westerwelle könnte hier ein Zeichen setzen und die deutsche Bereitschaft erklären, diese Männer einreisen zu lassen. Dann wäre der Demjanjuk-Prozess nicht der letzte seiner Art - sondern der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Verfahren gegen vergleichbare Täter.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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