Kommentar Clintons E-Mail-Affäre: Bloß raus aus dem Wahlkampf
Hillary Clinton schafft sich ihre eigenen Regeln. Das ist zweifelhaft bei einer potenziellen US-Präsidentin, aber nicht strafbar.
I m Frühjahr hatte James Comey, FBI-Direktor, klargestellt: Der Wahlkampfkalender werde ihm nicht das Tempo seiner Ermittlungen diktieren. Jetzt steht am 25. Juli, in gut zwei Wochen, der Wahlparteitag der US-amerikanischen Demokraten in Philadelphia bevor. Hillary Clinton soll dort zur Kandidatin gekürt werden. Und am Dienstag teilte Comey mit, das FBI werde dem Justizministerium empfehlen, keine Anklage gegen Clinton zu erheben. Zufall sieht anders aus.
Comey hat für republikanische Präsidentschaftskandidaten gespendet, er ist eingetragener Republikaner. Auf seinen Posten als FBI-Chef wurde er aber vom Demokraten Obama berufen. Comey gilt als überdurchschnittlich unparteiisch. „Meine Leute geben keinen Deut auf Politik“, sagt er von seinen Ermittlern. Die Entscheidung gerade jetzt bekannt zu geben, weist deshalb auf einen besonderen politischen Beweggrund hin: Indem die Ermittlungen rechtzeitig abgeschlossen sind, hält sich das FBI aus dem Wahlkampf schlicht heraus.
Die Unterstellung aber, das Ergebnis sei politisch motiviert oder über die Justizministerin beeinflusst, ist Unsinn. Die vielen Clinton-Affären sind republikanisch aufgebauscht. In der Affäre um die Speicherung ihrer amtlichen E-Mails rankt sich die Geschichte einer gesetzesbrecherischen Aneignung staatlichen Wissens. Comey attestiert Clinton unverantwortliches Handeln, stellt ihr Urteilsvermögen und ihre Kompetenz in Frage. Eine ungewöhnlich harte Beurteilung, die in einer anderen politischen Lage das Ende einer Wahlkampagne bedeuten könnte.
Willentlichen Gesetzesbruch konnte der FBI-Chef nicht feststellen. Sondern nur eine gängige Wahrnehmung von Hillary Clinton bestätigen: Sie vertraut nur einem kleinen inneren Kreis. Das Außen definiert sie als feindlich und schafft sich folglich eigene Regeln. Für eine potenzielle US-Präsidentin sind das zweifelhafte Qualitäten. Strafbar ist es nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr