Kommentar Chinesen in Vietnam: Jenseits der Solidarität
In Vietnam geht der Mob auf Chinesen los. Zur Geltung kommt ein trübes Gefühlsgemisch, das sich ins Gewand verletzten Nationalstolzes hüllt.
W ie leicht es kommen kann, dass Nachbarn aufeinander losschlagen, sieht man derzeit nicht nur in der Ukraine. Auch aus Vietnam kommen Bilder fahnenschwingender Mobs und brennender Gebäude. Hier richtet sich der Zorn gegen chinesische Geschäfte und Fabriken, deren Betreiber aus Angst für sich und ihre Familien in Scharen das Land verlassen.
Ausgelöst haben diese Unruhen nicht etwa miese Arbeitsbedingungen. Nein, es ist ein trübes Gefühlsgemisch, das sich in das Gewand verletzten Nationalstolzes hüllt. Im Verhältnis zwischen Vietnam und China bedarf es derzeit keiner großen Anstrengung, dieses Gefühlsgemisch zur Explosion zu bringen. Eine Ölplattform, konkurrierende Fischerboote, Militärpatrouillen in umstrittenen Gewässern und empörte Tiraden von Politikern reichen.
In beiden Ländern herrschen Regierungen, die ihre ideologischen Prinzipien kommunistischer Solidarität längst abgestreift haben. Stattdessen versprechen sie ihren Bürgern, ihr Land so stark zu machen, dass andere Staaten ihnen endlich so viel Respekt zollen, wie sie es eigentlich verdient haben.
Was die Sache vor allem in China so schwierig macht: Die offizielle Geschichtsschreibung sieht die Chinesen stets als Opfer ausländischer Aggressionen. Viele Chinesen können sich daher gar nicht vorstellen, warum ihre Nachbarn Sorge vor der Übermacht der Volksrepublik haben könnten.
Zugleich fehlt die Bereitschaft zum Kompromiss: die Reichtümer im Meer beispielsweise gemeinsam zu verwalten und zu verteilen und Streit vor einem internationalen Gericht auszutragen.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!