Kommentar: CDU baggert SPD an: Der letzte Strohhalm für die Union
Die Berliner CDU liebäugelt offensiv mit einer Koalition mit der SPD. Ist das der perfide Versuch, die SPD durch Umarmung in den Abgrund zu ziehen? Oder meinen die das etwa ernst?
E rst attackierte die SPD den Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke), der angeblich für die hohen Wasserpreise verantwortlich sei. Nun schimpft die Linkspartei über die Blockadehaltung der SPD-Stadtentwicklungssenatorin beim Mieterschutz. Der SPD-Umweltsspezialist wirft derweil der grünen Spitzenkandidatin Ahnungslosigkeit vor. Worauf die Grünen kräftig zurückholzen.
Wahlkampfzeiten sind lustige Zeiten. Da geht es derbe zu. Das ist so amüsant wie ein Comicfilm, bei dem die Gegner Katz und Maus spielen und sich im Wortsinne platt machen. In der nächsten Szene ist alles wieder okay.
Jetzt aber kommt ein neuer Ton ins Spiel: Die CDU knöpft sich die Sozialdemokraten vor - auf ganz neue Art. Sie kuschelt sich ran. Sie bezeichnet ihren jahrelangen Erzfeind plötzlich ganz offensiv als potenziellen Koalitionspartner. Ist das jetzt der perfide Versuch, die SPD durch Umarmung in den Abgrund zu ziehen? Oder meinen die das etwa ernst?
Führende Berliner CDU-Politiker haben sich laut einem Bericht des "Berliner Kuriers" erstmals für eine Koalition mit der SPD nach der Abgeordnetenhauswahl am 18. September ausgesprochen. Der stellvertretende Landesvorsitzende Thomas Heilmann sagte der Zeitung (Freitag): "A100 und Schönefeld sind zwei extrem wichtige Punkte für die dringend nötige wirtschaftliche Gesundung Berlins. Das spricht für eine Koalition mit der SPD." Der frühere CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel fügte hinzu: "Natürlich kann man mit SPD-Landeschef Michael Müller eine verlässliche Koalition schließen."
Linke und Grüne schließen - anders als SPD und CDU - einen Weiterbau der A100 von Neukölln nach Treptow aus und plädieren für ein weitgehendes Nachtflugverbot am geplanten Großflughafen in Schönefeld. dpa
Man muss davon ausgehen. Denn um die CDU steht es schlecht. Ihr Liebling FDP kommt nicht aus dem Quark. Und die einst als Zukunftsmodell gehandelte schwarz-grüne Koalition wirkt nach Hamburg und Fukushima wie ein Märchen aus alten Zeiten. Da bleibt der Union nur die SPD als Strohhalm.
Droht Berlin damit tatsächlich eine SPD-CDU-Koalition? Ausschließen kann man das nicht. So richtig gefährlich aber wird es erst, wenn Klaus Wowereit beginnt, auf die Union einzudreschen. Denn im Berliner Wahlkampf gilt: Nur was sich neckt, das liebt sich.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung