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Kommentar Butler Zivilcourage-PreisEine Minderheit unter vielen

Kommentar von Tülin Duman

Der Kern von Judith Butlers Kritik wurde nicht verstanden. Viele Lesben und Schwule wollen zur Mitte der Gesellschaft gehören. Dafür nehmen sie Ungerechtigkeiten in Kauf.

E in Blick auf die Reaktionen zeigt, dass Judith Butler großen Zuspruch gefunden hat. Viele hielten ihre Entscheidung, den Zivilcourage-Preis des Berliner CSD e.V. nicht anzunehmen, für richtig. Umso erstaunlicher ist es, wie manche Journalisten versuchen, die Debatte darüber in eine Sackgasse zu lenken.

Für den taz-Journalisten und Ex-CSD-Funktionär Jan Feddersen sprach Judith Butler, eine "Diva ohne Glamour", lediglich einem überwinterten Kern linker KritikerInnen aus dem Herzen, die ohnehin bloß "identitär recht behalten" möchten. Der transgeniale Christopher Street Day, oft auch "alternativ" genannt, den Butler lobend erwähnte, sei eine "dörfliche" Veranstaltung, aus dessen Spektrum keine bedeutsamen politischen Impulse für die queere Bewegung ausgehen würden, so Feddersen.

Und Martin Reichert konnte dieses Jahr unter den Teilnehmenden der transgenialen CSD-Demonstration durch Neukölln und Kreuzberg vor allem Menschen mit "bleichen Gesichtern" erkennen. So wird diese Manifestation diffamiert, um die große CSD-Parade auf dem Kurfürstendamm als politischen Ort der Inklusion zu verkaufen.

Bild: privat

Tülin Duman (Jahrgang 1978) ist Geschäftsführerin von GLADT. Der Verein arbeitet seit über 10 Jahren gegen Diskriminierung und ist deutschlandweit die einzige unabhängige Eigenorganisation von queeren MigrantInnen, die einen Vereinsstatus hat. GLADT wurde von überwiegend türkeistämmigen Lesben, Schwulen und transsexuellen Personen gegründet. Mehr Informationen unter www.gladt.de.

Das zeigt nur, dass der Kern der Kritik nicht verstanden wurde. Denn Judith Butler hat der CSD-Parade auf dem Kurfürstendamm weder das Existenzrecht abgesprochen noch sie als "oberflächlich" eingestuft, wie sie noch einmal im taz-Interview am Donnerstag betonte. Vielmehr hat sie laut darüber nachgedacht, was sie unter den gegebenen Bedingungen als Zivilcourage versteht.

Butler hat angemerkt, dass queere Menschen "benutzt werden können von jenen, die Kriege führen wollen" ob mit militärischen Mitteln wie in Afghanistan und im Irak oder in Form des antimuslimischen Rassismus, wie er seit einigen Jahren vielerorts in Europa um sich greift. Viele PolitikerInnen behaupten, schwul-lesbisch-queere Freiheit zu schützen, und wollen uns glauben machen, dass dazu Ressentiments bis hin zu Hass gegen MigrantInnen nötig ist.

Deshalb gilt es, Nein zu sagen, wenn uns statt der Wahrheit, so heterogen, erschreckend und widersprüchlich sie auch sei, einfache Lösungen angeboten werden. Nein zu sagen, wenn Sexismus und Homophobie pauschal bestimmten MigrantInnen-Communities zugeschrieben werden. Denn dadurch wird ein Trugbild erzeugt, das uns glauben lassen soll, diese Phänomene würden nach Deutschland "importiert" und es gelte, bereits errungene Freiheiten vor diesen Kuckuckseiern zu schützen.

Manche Vertreter der schwulen Communities stimmen diesem vereinfachenden Feindbild zu. Sie fordern, man müsse die Probleme beim Namen nennen, und verweisen immer wieder auf ein dezidiertes Täterprofil: jung, männlich, Migrationshintergrund. Damit lässt sich traurigerweise Politik machen. Schade, denn sonst könnten ja auch das höhere Armuts- und Selbstmordrisiko, die größere Gefahr der Obdachlosigkeit und die weit verbreiteten Essstörungen unter Lesben, Schwulen und Transpersonen in diesem Land wichtige Themen für die queere Bewegung sein.

Im Bett mit der Mehrheit

Wie dünn der Boden in der sogenannten Mitte der Gesellschaft ist, an der manche schwulen Aktivisten um jeden Preis teilhaben möchten, zeigt sich an zwei Beispielen. So wurden im öffentlichen Diskurs über Homophobie Migrantenjugendliche, vor allem aus arabisch- oder türkeistämmigen Familien, in den letzten Jahren mit Straftätern aus rechtsextremen Milieus auf eine Stufe gestellt; dies geschah nicht zuletzt auf Betreiben schwul-lesbischer Lobbygruppen.

Damit wurden nicht nur der ideologische Hintergrund und die Gefahr des Rechtsextremismus verharmlost, sondern auch rassistische Ressentiments in der eigenen, queeren Community geschürt. Hingegen konnte man die Bundesregierung nicht dazu bewegen, die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe zu verwirklichen oder die sexuelle Orientierung in den Antidiskriminierungskanon der Verfassung aufzunehmen – trotz aller Lobbyarbeit, auf die Jan Feddersen das Hohelied singt.

Nichtdestotrotz sehen sich einige heute lieber als Teil eines größeren "Wir", indem sie die bestehende Rangordnung der Majoritätsgesellschaft nach sozialer Herkunft und Ethnizität übernehmen. MigrantInnen, Schwarze oder Roma können im Zweifelsfall draußen bleiben oder abgeschoben werden, solange es für "uns" schneller Ehegattensplitting und ein Adoptionsrecht gibt. Für den Rest muss symbolische Politik reichen. Dass das Schwenken einer israelischen Fahne nicht die Polizei vor jüdischen Einrichtungen in Deutschland ersetzt, können "wir" dann ja getrost ignorieren.

Kein Platz für Nationalismen

So teilte auch der CSD-Sprecher Jan Salloch in seiner spontanen Reaktion von der Bühne am Brandenburger Tor die Welt in zwei Teile auf: "Wir sind hier in der Mehrheit, ihr seid nur eine Minderheit." Diese "Minderheit" aber trifft auf viele andere Minderheiten und zieht jährlich mit dem transgenialen CSD durch Kreuzberg. Der Platzverweis für alle nationalistischen Symbole, aber vor allem Forderungen wie die Abschaffung der Zweigeschlechtlichkeit, die klare Positionierung gegen Krieg und die starke Thematisierung von Armut sind für uns gute Gründe, dort mitzumachen. Auch im Rest des Jahres gehen wir diesen Themen nach und arbeiten deswegen auch mit den Gewerkschaften, sozialen Verbänden und der öffentlichen Verwaltung zusammen.

Während die Bürgerrechtsbewegung der Lesben und Schwulen noch an eindimensionalen Identitätsmodellen hängt, sind immer mehr Menschen nicht nur "gewöhnlich" homosexuell. Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, Religion, Alter, eine Behinderung und viele andere Merkmale prägen unsere Identität gleichermaßen. "Gewöhnliche" Hartz-IV-EmpfängerInnen können sich die Partyszene der Hauptstadt nicht leisten. Für "gewöhnliche" homosexuelle AsylbewerberInnen gelten nicht die Bürgerrechte, sondern gilt die Residenzpflicht. Wer die Zusammenhänge von Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung nicht erkennt, wird weder der Berliner noch der deutschen Realität gerecht.

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19 Kommentare

 / 
  • EB
    Elvira Büchner

    Ich halte die Debatten, in denen jede Kritik an intoleranten religiösen Gruppen mit der *Rassismuskeule* bedacht wird für äusserst problematisch. Auch junge Muslime haben sich an die hier geltenden Gesetze zu halten. Das Pochen auf religiöse Gefühle kommt sonst demnächst auch von anderen religiösen Gruppen (wann wird die Inquisition wieder eingeführt?)Europa hat Jahrhunderte gebraucht sich vom Religionsterror zu befreien. Soll das jetzt, a Konto Antirassismus wieder in frage gestellt werden? Was haben denn bitteschön religiöse Bekenntnisse mit "Rasse" zu tun?

  • J
    Jahuka

    Danke! Ein wichtiger Kommentar und endlich ein Beitrag in der taz, der dem Thema gerecht wird. Mit ihrer Hinterfragung der Reaktion des CSD-Sprechers Jan Salloch auf Butlers Statement vor Ort wie auch der selbstgefälligen Interpretationsleitung einiger taz-Journalisten wie Jan Feddersen und Martin Reichert eröffnet die Autorin einen pointierten kritischen Blick auf die Normalisierungsphänomene eines 'queeren' Selbstverständnisses dominanz-kultureller Prägung. Es bleibt eine Herausforderung emanzipatorischer Bündnispolitiken, hegemonie(selbst-)kritische Reflexionen als integralen Bestandteil von 'Queer' zu begreifen, anstatt die gesamtgesellschaftlich 'queere Minderheit' als Bestandteil der Mehrheitsgesellschaft zu homogenisieren, die über reaktionäre Ressentiments ihre eigenen 'Minderheiten' erzeugt und ausschließt. Das kritische Nachdenken über homonormative Vorstellungen und gesellschaftliche Strukturierungen von Mehrheit und Minderheit, Normalisierung und Marginalisierung, Ein- und Ausschluss bleibt dabei für ein identitätspolitisch offenes und ein politisch emanzipatorisches Verständnis von 'Queer' unabdingbar. - Ein Nachdenken indes, das nicht lediglich an jene delegiert werden kann, die im homonormativen Sinne als 'Minderheit' innerhalb einer 'queeren Mehrheit' marginalisiert werden. Vielmehr ist zu hoffen, das dieses Nachdenken auch in jene Köpfe eingeht, die sich, wie seit Jahren u. a. Jan Feddersen, als Tabubrecher einer unliebsamen Wahrheit stilisieren, die sie als Verknüpfung von homophober Gewalt und rassistischen Stereotypisierungen selbst erst erzeugen und der sie als diskursiver Gewaltförmigkeit immer wieder erneut zur Stabilisierung verhelfen.

  • G
    gelderlander

    Wo sie Recht hat sie Recht, denn es ist vermehrt zu beobachten, wie Schwule sich mit Naziparolen eindecken und wie obskure Vereine a la MANEO regelrecht Hetze gegen Muslime verbreiten.

     

    Dies wird genärt durch die Oberflächliche Bezeichnung der antischwulen Gewalt. Ich bin selbst ein Opfer solcher Gewalt geworden, nicht nur einmal. In allen Fällen waren die Täter Deutsche.

     

    Ich wohne in einem Haus, in dem die Mehrzahl der Bewohner nicht Deutscher Abstammung sind. Die größten Probleme gibt es nur mit den paar Deutschen, die hier wohnen.

     

    Ein paar Beispiele für Schwulenhass, der eben nicht vom berüchtigten "Messermusel" aus geht: http://schwulleben.wordpress.com/2010/01/30/munchen-2010-schwule-sind-freiwild/

     

    http://schwulleben.wordpress.com/2009/12/27/cdu-politiker-schwulsein-ist-krank-schwule-sind-kriminelle/

     

    Noch etwas zum CSD: Der diesjährige CSD in Köln ist alles - nur keine politische Veranstaltung. Zu verdanken ist dies dem KLuST, einem Verein, der von der CDU dominiert wird. Was soll man dann also erwarten?

     

    http://schwulleben.wordpress.com/2010/07/03/alles-beim-alten-beim-csd-koln/

  • B
    barshai

    Ich kämpfe seit Jahren gegen Homophobie.

     

    Dass uns Neo-Nazis hassen ist nicht verwunderlich und dass "wir" uns (nicht nur deshalb) gegen diese "braune Pest" positionieren auch nicht. Tragisch, weil vollkommen überflüssig und dumm, ist jedoch eine verbreitete Homophobie unter jungen, überwiegend männlichen, Deutschen mit türkischen und/oder arabischen Wurzeln.

     

    Selbstverständlich sind die sozialen Ursachen für deren "Minderwertigkeitskomplex" zu beachten, allerdings beziehen sich viele dieser jungen Schwulen-Hasser auf angebliche Vorgaben des Islam, der - so behaupten sie - Moslems gar nicht anders handeln lasse, als Schwule zu hassen und zu verfolgen. Wer jedoch diesen "Zweig" der Homophobie ignoriert und die ethnisch-, religiösen Zusammenhänge ausblendet, nur weil dieser Schwulenhass aus einer ebenfalls "unterprivilegierten" Minderheit kommt, verhält sich unglaubwürdig.

     

    Wenn eine Minderheit einerseits Bildung konsequent ablehnt und die - wenn auch geringeren, aber immerhin vorhandenen - Chancen auf beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg in großem Umfang nicht wahrnimmt. Andererseits sich eine Minderheit sucht, die "scheinbar noch unter ihnen" steht in der gesellschaftliche Hierarchie, um die eigenen Minderwertigkeitskomplexe abzureagieren, dann wird das auf Gegenwehr stoßen.

     

    Schade, dieser Kampf unter Minderheiten ist absolut überflüssig, aber ich verspreche: Schwule und Lesben werden niemals wieder in großem Ausmaß Opfer sein, sie werden nicht wieder in KZs zu Tode gequält werden, wie vor einigen Jahrzehnten, sondern sich wehren!

     

    Die Situation im "Armenhaus" Deutschlands, Berlin ist mit Sicherheit eine andere, als in Hamburg, Köln, München, Düsseldorf oder Frankfurt am Main. Es ist ein Irrtum zu glauben Schwule und Lesben seien per sexueller Identität auch automatisch arm, ungebildet oder gar dumm. Ganz im Gegenteil!

     

    Wer - wie wir - spätestens vom Zeitpunkt seines/ihres Coming-Outs um den Platz in dieser Gesellschaft kämpfen muss, leistet häufig mehr, viel mehr, als ein/e Heterosexuelle/r, der/dem es nicht so schwer gemacht wird, anerkannt zu werden.

     

    Ich rufe daher allen jungen Deutschen mit "Migrationshintergrund" (der häufig schon 2-3 Generationen zurückliegt) und allen Neu-BürgerInnen zu: Wir sind nicht Eure Feinde, kämpft gefälligst gegen die, die Euch unterdrücken und nicht hochkommen lassen wollen. Und löst Euch von der bequemen "Radfahrer-Mentalität" (nach unten treten, nach oben buckeln). Kämpft zusammen mit uns, wir haben in diesem Kampf schon einige Jahrzehnte Erfahrung und reichen Euch die Hände, ergreift sie!

     

    Weiterführende Links:

    http://www.tuerkgay.com/

    http://community.zeit.de/user/knueppel/beitrag/2008/11/07/marco-und-murat-hassen-einander

    http://community.zeit.de/user/kn%C3%BCppel/beitrag/2009/05/13/ben-und-mark-quotder-sch%C3%B6nste-tag-im-lebenquot-vol-8

     

    barshai

  • G
    Galan

    Einfach mal in die Partyszene Berlins eintauchen. Im Berghain zum Beispiel kann man haufenweise Hartz-IV-Empfänger kennenlernen. Das macht den Reiz ja aus: Publikum vom Schauspieler bis zum Hartz-IV-Empfänger.

  • K
    kopfnuss

    wie schön wärs, könnte jemand den sachverhalt mal veranschaulichen ohne den ganzen verqueeren homoschulesbisexuellen insidersprech, der der debatte doch eine gewisse groteske note verleiht.

  • B
    Burghard

    Bei der ganzen Debatte um Frau Butler und den TCSD komme ich langsam zu der Erkenntnis, dass für einioge der beteiligten nur die Person zählt, die mindestens dreifach diskriminiert wird. Alles andere ist ja Mainstream und nur eine Anbiederung an die Mehrheit.

     

    Vielleicht machen es sich auch einige Beteiligte zu einfach und bleiben lieber in ihrer selbst gewählten Welt, in der alle anderen Unrecht haben.

     

    Und wenn dann ein Homosexueller Asysbewerber als Beleg herhalten muss, weil er keine Bürgerrechte hat und der Residenzpflicht unterliegt. Stimmt. Aber diese Rechte und Pflichten gelten leider auch für hetero-, bi oder transsexuelle Asylbewerber.

  • S
    stella

    korrigierte fassung:

     

    Danke für das Kommentar! Ich hoffe ganz viele lesen es!!

     

    die taz werde ich dennoch nicht mehr käuflich erwerben! zu viel weiße schwule lobbyarbeit wird hier betrieben.

     

    reichert und fedderson sollten sich persönlich von ihren letzten Artikeln distanzieren und lieber mal zu hören anstatt polemische Parolen zu verbreiten, die keine Spur von Selbstreflexivität beinhalten!

     

    Ach ja "Hautfarbe" ist zwar ein allgemeiner Begriff aber auch unter "uns" möchte ich darauf hinweisen, dass er in einer rassistischen Genealogie steht. "Hautfarbe" meint immer nicht-weiß. Wir haben nicht per se eine andere "Hautfarbe", sondern "wir" leben in rassistischen Strukturen, in denen nur das nicht-weiße markiert und "anders" gemacht wird. Das ist rassistisch, denn es stabilisiert ein System in dem Weißsein, das Allgemeine und Universelle ist. Das will ich nicht stützen. Dennoch verstehen ich, wenn die Begriffe von „uns“ benutzt werden, und wenn wir ihn selbst benutzen ist auch etwas anderes, als wenn eine weiße Mehrheit über "uns" unreflektiert spricht, aber wir sollten uns überall bewusst machen, wie sehr unsere Gesellschaft von Rassismus geprägt ist, auch in nicht-weißen communities"

  • S
    stella

    Danke für das Kommentar! Ich hoffe ganz viele lesen es!!

     

    die taz werde ich dennoch nicht mehr käuflich erwerben! zu viel weiße schwule lobbyarbeit wird hier betrieben.

     

    reichert und fedderson sollten sich persönlich von ihren letzten artikeln distanzieren und lieber mal zu hören anstatt polemische parolen zu verbreiten, die keine Spur von Selbstreflexivitär beinhalten!

     

    Ach ja "Hautfarbe" ist zwar ein allgemeiner Begriff aber auch unter "uns" möchte ich darauf hinweisen, dass er in einer rassistischen Genealogie steht. "Hautfarbe" meint immer nicht-weiß. Wir haben nicht per se eine andere "Hautfarbe", sondern "wir" leben in rassistischen Strukturen, in denen nur das nicht-weiße markiert uns "anders" gemacht wird. Das ist rassistisch, denn es stabilisiert ein System im Weißsein, das Allgemeine und Universelle ist. Das will ich nicht stützen. Dennoch verstehe ich, wenn die Begriffe von "uns" benutzt werden,und wenn wir ihn selbst benutzen ist auch etwas anderes, als wenn eine weiße Mehrheit über "uns" unreflektiert spricht, aber wir sollten uns überall bewusst machen, wie sehr unsere Gesellschaft von Rassismus gerpägt ist, auch in nicht deutschen mehrheits-weißen communities"

  • I
    Interpretator

    Dieser Artikel ist ein Paradebeispiel dafür, mit einem Problem umzugehen, das nach meiner der Autorin kein Problem sein darf:

     

    1. Das Argument, dass im Namen der "queeren" Menschen Kriege wie zum Beispiel in Afghanistan geführt würden.

     

    Ich habe weder von einem deutschen noch von einem amerikanischen Politiker gehört, dass die Bundeswehr in Afghanistan für die Rechte von Homosexuellen kämpft. Eher anzutreffen dürfte das Argument sein, dass die Lage der (heterosexuellen) Frauen verbessert werden soll. Aber inzwischen ist die Butler-Fraktion bereits so verquer, dass selbst dieses Argument wohl "rassistisch" und "kolonialistisch" ist, weil eine Übertragung imperialistischer westlicher Werte auf eine gleichwertige Kultur, deren Hierarchie per se einen Anspruch auf kulturellen Artenschutz hat.

     

    2. Das Argument des "anti-muslimischen" Rassismus vor allem von Politikern. Hier hätte ich doch gerne mal ein oder zwei Zitate gehabt, in denen aus Sympathie mit Homosexuellen auf Hass gegen Migranten geschlossen wird. Dieses Argument ist eine bloße Behauptung, mit dem plötzlich Kritik an dem homophoben Verhalten, das in einem bestimmten Milieu häufiger auftritt als in anderen, zu einer rassistischen Einstellung verwandelt wird. Hiermit wird der "feindliche" Diskurs diskursunfähig gemacht. Das eigentliche Problem wird mit dem Etikett "So können nur hasserfüllte Rassisten sprechen" ummantelt, die tatsächlichen Opfer dieser Gewalt werden, wenn sie ihr Leiden so wiedergeben, wie es stattgefunden hat, zu Tätern stigmatisiert. Hier macht sich eine verächtliche, opferfeindliche Haltung bemerkbar.

     

    3. Der Vorwurf, indem man bestimmten Migranten-Communities pauschal Sexismus und Homophobie zuschreibe, erwecke man das "Trugbild", solche Probleme würden "importiert".

     

    Zu behaupten, dass Einwanderer aus homophoben, patriarchalischen und autoritär geprägten Gesellschaften bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen bei dem Grenzübertritt beim Zoll abgeben und als "tabula rasa" das Land betreten, ist nicht nur dumm, sondern missachtet die kulturelle Identität der Betroffenen. Diese kulturelle Identität wird in den Familien, in den Peer Groups gestaltet, weitergegeben, verändert.

     

    Zu behaupten, die in diesen kulturellen Mustern leider vorhandene homophobe Tendenz zu thematisieren, sei "rassistisch", offenbart Unkenntnis von der tiefen Prägung der Menschen durch ihre Vergesellschaftlichung.

     

    Es geht gar nicht darum, arabischen oder türkischen Migranten eine quasi biologische Homophobie zu unterstellen, sondern bei ihnen aufgrund ihrer kulturellen Prägung bestimmte Tendenzen festzustellen, von denen einige nicht in den gewachsenen und erkämpften Bestand liberaler Standards in diesem Land passen. Dass diese Standards auch gegen Rechtsradikale, strenge Katholiken usw. verteidigt werden müssen, kann kein Argument sein, es bei bestimmten Milieus nicht zu tun, nur weil diese Milieus soziokulturell benachteiligt sind. Aber eigentlich sind ja arabische und türkische Migranten gar nicht soziokulturell benachteiligt, weil das ja auch eine pauschalisierende Zuschreibung wäre, die Migranten per se zu Milieus mit geringem Ausbildungsniveau, Schulschwierigkeiten usw. zu machen. Also schaffen wir auch gleich die Deutschförderung ab.

     

    Es gibt noch einige weitere Unsinnigkeiten, aber ich möchte mich auf die letzte beschränken:

     

    4. "Dass das Schwenken einer israelischen Fahne nicht die Polizei vor jüdischen Einrichtungen in Deutschland ersetzt, können ,wir' dann getrost ignorieren."

     

    Wir haben in Deutschland unter Rechtsradikalen einen aggressiven und gefährlichen Antisemismus. (Nebenbei auch bei nicht wenigen Linksradikalten.) Aber erkennbar jüdische Personen haben in Berlin-Neuköln oder im Wedding aber mit diesem Milieu keinerlei Schwierigkeiten. Nach Logik von Frau Duman müssten sich diese Personen völlig frei und sicher in diesen Bezirken bewegen können.

    Dazu empfehle ich Frau Duman den Selbstversuch mit Davidstern in den betreffenden Vierteln. Ich kann mich des hasserfüllten Blickes einer älteren Frau mit Kopftuch entsinnen, als ich im Wedding mit der Jüdischen Allgemeinen in der U-Bahn saß.

     

    Liebe Frau Duman, wenn in Deutschland Polizisten vor jüdischen Einrichtungen stehen, haben Rechtsradikale und antisemitische, muslimische Milieus ihren Anteil daran. Wenn Homosexuelle in Berlin Angst vor Übergriffen haben müssen, dann nicht vor solchen aus der "Mitte", der "Mehrheit" dieser Gesellschaft, nicht mal aus erzkatholischen Kreisen, sondern im Wesentlichen vor Angriffen aus zwei Milieus: dem rechtsradikalen und muslimisch-migrantischen.

  • A
    Ango

    Toller Beitrag!

    Vielen Dank dafür.

    Leider wird in der LGBT Community stark diskriminiert.

    Hier zeigt sich ebenso wie gesamtgesellschaftlich seit ca 15 Jahren ein unerträglich konservativer Grundkonsens.

  • M
    mhare

    der erste wirklich gute kommentar zu dem thema, den ich in den überregionalen deutschen printmedien in den zwei wochen seit dem "eklat" gelesen habe. das musste gesagt werden.

  • H
    Hatem

    Wer das das Feststellen von Tatsachen als "Rassismus" diffamiert und wer über unschöne Wahrheiten nicht reden will, der kann Probleme nicht lösen, sondern schreibt sie fest.

  • S
    Schlupp

    Danke für den Kommentar. Ich würde es sehr begrüßen, wenn Ihr von der taz mal ein Streitgespräch organisieren könntet zwischen Personen wie Tülin Duman und Jan Feddersen und das dann auch mal bei Euch in der Zeitung dokumentieren.

    Meiner Meinung nach waren die Beiträge der letzten Tage von Martin Reichert und Jan Feddersen mehr vom draufschlagen als vom argumentieren geprägt. Tülin Duman hat meiner Ansicht nach wirklich erläutert und argumentiert, ohne blindwütig draufzuhauen.

  • CB
    Christian B

    Judith Butler wurde nicht falsch verstanden, sondern absichtlich verdreht dargestellt. Sie wehrt sich gegen die Instrumentalisierung der gender-politic durch gewisse Lobbygruppen. Eine Gesellschaft, in der es einen offenen Diskurs über sexuelle Selbstbestimmung gibt, braucht keine Feindbilder. Das Aufbauen von Feindbildern zerstört die Gender-Bewegung, die nicht nur irgendeine Bewegung ist, sondern eine Errungenschaft einer freien und liberalen Gesellschaft.

     

    J. Butler wehrte sich auf einer Konferenz in Chicago auch gegen den extremen linken Feminismus, dem nicht an einer Gleichstellung der Frau gelegen ist, sondern an einer Festschreibung des Weiblichen als einer höhergestellten Spezies. Der Aufruf von Zwangsquoten, mit denen Frauen in Positionen qua ihres Geschlechts vorgschoben werden sollen, entspricht keiner freien Gesellschaft mehr, sondern ist ein finsterer Vorläufer, einer konservativen Apartheidspolitik. Denn wer anfängt, einen Menschen wegen einer angeborenen Eigenschaft in eine bevorzugte gesellschaftliche Stellung zu bringen bzw. sie ihm zu verweigern, ist weit von einer liberalen Politik der Gleichberechtigung entfernt.

    Es ist eine Farce, entgegnete S. Zizek, in einer Diskussion mit J. Butler, wenn die Feminismus-Bewegung nur auf eine geschlechtliche Gleichstellung pocht, denn damit würde nur von dem eigentlichen Problem abgelenkt: die ungerechten Produktionsverhältnisse. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass ein Arbeiter/in nicht mehr ausgebeutet wird, wenn das Führungspersonal geschlechtlich quotiert wird. In beiden Fällen wird eine bedeutende Diskussion in der Gesellschaft instrumentalisiert und damit über früh oder lang vernichtet.

  • S
    Sven

    Hmm, zum Teil kann ich die Kritik nachvollziehen, zum Teil aber auch nicht. Ich finde nichts rassistisches daran zu erwaehnen, dass Homophobie gerade unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein Problem darstellt. Nur wenn man sich eines Problems bewusst ist kann man auch an Loesungskonzepten arbeiten. Und wenn man Uebergriffe auf Homosexuelle verhindern will, dann muss z.B. Aufklaerung auch gerade hier ansetzen.

     

    Und ja, in der Tat, ich glaube auch, dass es Homosexuelle mit Migrationshintergrund nochmal deutlich schwieriger haben, aber nicht aus dem Grund, den die Kommentatorin hier annimmt. Mein Ex-Freund kam aus Asebaidschan und musste unter staendiger Angst leben, fuer seine Homosexualitaet von seiner Familie umgebracht zu werden. Das war in der Tat eine praegende und schreckliche Erfahrung, auch fuer mich, der ich versucht habe ihn zu unterstuetzen. Dass er Rassismus von anderen Homosexuellen erlebt haette hat er zumindest mir gegenueber nie erwaehnt. Das mag es auch geben, keine Frage, aber ich glaube die Autorin verkennt hier eindeutig die Prioritaeten.

  • S
    systemix

    Verfolgte Minderheiten sind eben nicht per se einfach die "Guten". Die große schwule "family" gibt es leider nur in den Wunschträumen bewegter Homosexueller. Denn nirgendwo wird härter ausgegrenzt als in der schwulen "community". Wer nicht mehr dem Jungenideal entspricht, wer Leistungen nach SGB II bezieht, wer anderer nationaler Herlunft ist, die nicht wegen sexuell herausragender Merkmale begehrt ist, sollte sich von solchen Parties wie CSD oder ähnlicher Veranstaltungen lieber fernhalten. Schließlich gibts für diese Außenseiter da nichts zum feiern und mit Rücksicht auf die hedonistischen Jungschwuppen trübt deren Anblick auch die Feststimmung.

     

    Darum sollte überlegt werden, ob die Aufregung um Judith Butler nicht allzu künstlich ist. Denn für viele Alltagsschwule sieht Kampf gegen Diskriminierung anders aus. Es gibt da einiges, was noch geändert werden muss. Es sei als Stichwort Ehegattensplitting genannt. Das ist aber nicht so spektakulär wie der Flitter und Glitter der "dragqueens".

  • D
    Deutungshoheit?

    Nein, werte Damen Butler und Duman:

     

    Selbstverständlich stelle ich homophobe Gewalt, verübt durch Machos islamisch-türkisch-arabischer Provenienz, auf eine Stufe mit homophober Gewalt, verübt durch biodeutsche Neonaziglatzen. Die eine homophobe Gewalt ist nicht harmloser als die andere. Der Schwule, der in Hellersdorf, Friedrichshain oder Schöneberg in die Fresse kriegt, überlässt die Deutungshoheit über die erlittene Bedrohung für Leib und Leben weder Frau Butler noch Frau Duman.

     

    Probleme können nur gelöst werden, wenn man die Ursachen analysiert. In Hellersdorf ist es die biodeutsche Neonaziglatze, in Schöneberg und Charlottenberg eher der patriarchalisch-islamisch-türkisch-arabisch geprägte "Was guckst Du"-Machoflegel. Dies zu benennen, ist nicht rassistisch. Man fragt sich als schwuler Mann schon, wie ein - zuvor gar nicht wahrgenommener - ca. vierzehnjähriger türkischstämmiger Bengel erzogen worden und sozialisiert sein muss, der einem an der Bushaltestelle in Schöneberg ein herrisches "Du musst auf den Boden gucken!!" entgegenbrüllt.

     

    Frau Duman und Frau Butler sollten bitte auch mal Berliner Juden befragen, ob diese nur Angst vor biodeutsche Neonaziglatzen haben, wenn sie in Charlottenburg oder Mitte auf dem Weg zu ihren Synagogen und Gemeindehäusern die Kippa unter einem Basecap verstecken. Oder ob es nicht besagte, oben genannte Machoflegel mit islamischem Migrationshintergrund (oder biodeutsche Linksextreme) sind, die ihnen in Stadtteilen in die Quere kommen können, die nicht gerade dafür bekannt sind, von biodeutschen Neonaziglatzen bevölkert zu werden.

     

    Und ja tatsächlich: auch als schwuler Mann kann ich durchaus finden, dass man z.B. für Roma eine vernünftige Wirtschaftshilfe und Lebensperspektive in Rumänien fördern sollte, anstatt ihnen in Deutschland einen Aufenthaltsstatus zu verschaffen.

     

    Bin ich jetzt böse, rassistisch oder rechtsextrem?

  • W
    Wolf

    Ich habe es satt in solchen Kommentaren als rassist hingestellt zu werden nur weil mir bei der Begegnung mit besagten testosteronbombern die muffe geht. Und nein, ich muss nicht die gesamte welt retten wollen nur weil ich schwul bin. und kommt von eurem hohen ross runter. Der weltrettende transgeniale csd ist das gleiche trinken und vöglen wie der andere auch.