piwik no script img

Kommentar BundeswehrreformEin undankbarer Job

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Nur ein Strahlemann wie Guttenberg konnte die Wehrpflicht abschaffen. Nur ein Machtmechaniker wie de Maiziere kann das Projekt umsetzen - doch das Unbehagen bleibt.

Mehr als bloße Schatten ihrer selbst: Soldaten der Bundeswehr. Bild: dapd

D er Rücktritt zu Guttenbergs und das politisch-mediale Erdbeben, das er auslöste, hat eine wichtige inhaltliche Frage in den Hintergrund treten lassen: Was passiert mit der wohl größten Reform, die die schwarz-gelbe Koalition sich vorgenommen hat - dem Umbau der Bundeswehr?

Die Antwort ist nicht einfach. Völlig zu Recht will der neue Verteidigungsminister de Maiziere alle Pläne erstmal prüfen, bevor er sich äußert. Doch schon die Ministerrochade im Kabinett zeigt, wie wichtig Bundeskanzlerin Merkel die Reform nimmt. Der Austausch war kühl kalkuliert, geschickt und keineswegs überhastet, wie manche vermuteten - und er diente vor allem dem Zweck, die Bundeswehrreform zu schützen.

Merkel schickt mit de Maiziere ihre Allzweckwaffe ins Verteidigungsministerium, er ist ihr gegenüber absolut loyal eingestellt und versteht es hervorragend, komplizierte Prozesse zu managen. Das hat er jahrelang als Chef des Kanzleramts bewiesen. Für diesen Trumpf nimmt Merkel in Kauf, dass im Innenressort der bundesweit eher unbekannte CSUler Friedrich gestrige Thesen über den Islam verbreitet. Merkel hat ihre Prioritäten klar gemacht.

Anja Weber

ULRICH SCHULTE leitet das Inlands-Ressort der taz.

Dabei kam der erzwungene Ministerwechsel dem Ziel, aus der bundesrepublikanischen, auf Verteidigung angelegten Bundeswehr eine kleine und schlagkräftige Freiwilligen- und Interventionsarmee zu formen, durchaus zu Gute. Denn nur ein Charismatiker wie zu Guttenberg, der unter Parteifreunden wegen seiner Beliebtheit in weiten Kreisen der Öffentlichkeit als unantastbar galt, konnte der Partei die Abschaffung der als ebenso unantastbar geltenden Wehrpflicht abringen.

Und nur ein Machtmechaniker wie de Maiziere kann ein solches Mammutprojekt auch umsetzen. Dennoch kann das Merkelsche Geschick bei der schnellen Personalie nicht über die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit hinwegtäuschen. Die Reform besteht im Moment vor allem aus wolkigen Ankündigungen, die nicht mit realer Politik unterlegt sind - und sich vielleicht auch gar nicht umsetzen lassen.

So ist etwa in keiner Weise einleuchtend, warum eine Verkleinerung der Truppe, die von Ex-Minister zu Guttenberg ursprünglich als Sparidee verkauft wurde, nun plötzlich mehr Geld kosten soll. Dann ist bei der ach so attraktiven Freiwilligenarmee völlig offen, ob sich überhaupt genug Freiwillige finden, womit das Grundkonzept zur Disposition stünde. Es gibt attraktivere Berufe für junge Menschen, als in den Afghanistans dieser Welt ihr Leben zu riskieren. Und nicht zuletzt hat die Koalition die Reform völlig überhastet gestartet - die Wehrpflicht ist faktisch abgeschafft, vom Parlament jedoch noch nicht beschlossen.

Es spräche also viel dafür, die Reform noch einmal aufzuschieben, wie es die SPD nun fordert. Auch um des Preises willen, dass Kritiker mehr Zeit haben, sie zu beschädigen. Doch für die Koalition und Kanzlerin Merkel wäre eine solche "Zurück-auf-los"-Wende eine Blamage. Zu sehr hat sie sich auf das schnelle, wenn auch planlose Vorgehen festgelegt. Und auch wenn im Moment die eigenen Reihen fest geschlossenen scheinen: Spätestens wenn es um die Schließung von Kasernen in Wahlkreisen geht, wird in der Union das Unbehagen an der Reform, das zu Guttenbergs Strahlkraft überdeckte, neu aufbrechen.

Thomas de Maiziere hat die Aufgabe diese verkorkste Konstellation aufzulösen. Man könnte auch sagen: Verteidigungsminister ist vom glamourösesten Job im Kabinett zum undankbarsten geworden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • V
    vic

    Die Regierung hätte ihre nichtvorhandene Sozialpolitik mit einem sozialen Pflichtdienst für alle kompensieren können, nein müssen. Und als Ersatzdienst die Armee.

    Einfach die bisherige Praxis umkehren.

    Sozialarbeiter sind wichtiger als Legionäre.

  • E
    end.the.occupation.140

    Ohne die Duldung und Förderung der parallelgesellschaftlichen Institution 'Armee' (damals Reichswehr), hätte Adolf Hitler es letztlich nicht vermocht, Europa in Brand zu setzen.

     

    Das eine solche Parallelgesellschaft nun reetabliert werden soll - ausgerechnet angleitet von einem Adeligen (!) - zeigt einmal mehr die völlige Geschichtsvergessenheit der Politiker- und Journalistenkaste.

  • J
    JDommel

    Ich bin fast schon etwas verzweifelt über die Tatsache, dass niemand (auch nicht in den Medien) diese gewaltige Gesellschaftliche Änderung wahrzunehmen scheint, die diese faktische Abschaffung der Bundeswehr mit sich bringt! Hier wird nicht nur der Wehrdienst, sondern vor allem auch der Zivildienst abgeschafft! Und es wird (sowohl im Zivil, als auch im Wehrdienst) ein Gesellschaftlicher Kitt zwischen den Gesellschaftsschichten weggenommen! Diese Zeit (ich selbst machte Zivildienst) war die einzige Zeit, in der junge Menschen mit komplett anderen Gesellschaftsschichten zusammen kommen (und diesen auch noch offener gegenüberstehen). Und, das mag für einen ehemaligen Zivildienstleistenden seltsam klingen, ich finde es auch wichtig, wenn junge Menschen etwas von ihrer Zeit für die Gesellschaft geben. Darum kann ich es mir auch nicht erklären, warum weder ein Vertreter der Grünen, der SPD oder ein Journalist oder Redakteur auf den Gedanken kommt, als Ersatz für den Wehr bzw. Zivildienst, ein halbes, oder dreiviertel-Jahr für junge Männer und Frauen von 18 bis 26 Jahren zu fordern? Darin enthalten könnte neben den klassischen bisherigen Zivlidiensten in sozialen, karitativen Einrichtungen, aber auch im ökologischen, oder dem Bereich des Technischen Hilfswerks sein und nicht zuletzt auch der Möglichkeit, diesen Dienst nach wie vor bei der Bundeswhr zu versehen. Ich weiss dass dies Geld kostet. Aber es schafft auch langfristig eine Geschlossenheit in der Gesellschaft, denn wie auch mich, so hat auch viele meiner Freunde, die einen Wehrdienst geleistet haben, das spätere Leben geprägt. Was wir stattdessen momentan erleben ist ein heimlicher Sozialabbau und statt einer Solidar eine zunehmende -Ich-Gesellschaft. Das werden wir alle spüren. Nicht heute, nicht morgen, aber in zehn, zwanzig Jahren! Hier wird, wurde eine historische Chance leichtfertig verspielt!!!! UND NIEMAND (KEIN POLITIKER, KEIN REDAKTEUR, KEIN MAGAZIN, KEINE ZEITSCHRIFT) BEMERKT ES!!!!!!! ICH KANN MIR DAS NUR MIT EINER GEWISSEN BETRIEBSBLINDHEIT VON POLITIK UND MEDIEN ERKLÄREN!!!!

  • M
    Maik

    Nur wurde von allen Medien 'vergessen', beim Strahlemann nachzufragen, ob sein Ationismus durchdacht und sinnvoll sei.

  • V
    vic

    Eine einmalige Situation; die BRD hat eine Wehrpflichtigen-Armee ohne Wehrpflicht.

    Alleine dieses Paradoxon macht deutlich, mit welchen Experten man es hier zu tun hat.

    Wo wir gerade von Armee reden. Ich würde gerne von Frau Merkel wissen, wie sie zu einem absehbaren Nordafrika-Einsatz der USA steht. Will sie auch dabei wieder am Rockzipfel hängen?

  • UK
    Uli Krumme

    Kaum zu glauben, wie sich die Zeiten aendern.

    Da plant die CDU die Abschaffung der Wehrpflicht - diese Vergeudung von Zeit fuer 18 ++ Jaehrige - und die TAZ sorgt sich um den Nachwuchs der Truppe.

    Ich freue mich fuer jeden Schulabgaenger, der die Zeit nicht mit diesem Quatsch vergeuden muss.

    Wer denn meint das muesse sein, kann ja noch hingehen - die Bundeswehr ist ja noch nicht abgeschafft.

    Mir ist jetzt nicht klar, wieso sich ploetzlich die TAZ, die SPD und die Gruene Sorgen machen, wie der Verein weiterbestehen kann.

  • HM
    Hans Müller

    Wer hat die Überprüfung der Doktorarbeit veranlasst?

    Wieso ist der Auftraggeber bis Heute nicht bekannt oder habe ich da etwas verpasst?

    Es ist doch merkwürdig, dass Niemand danach fragt, weder in den TV-Sendungen noch in den vielen Berichten.

    Wie war das Verhältnis des Verteidigungsministers zur Waffenlobby? Spreche ich hier vielleicht ein Tabuthema an?

  • MA
    Mirko A.

    So unantastbar, wie Sie es darstellen, galt die Wehrpflicht schon lange nicht mehr - auch nicht bei der CDU. Und das Einzige, was diese von der sofortigen Abschaffung abhielt waren die enormen Umstrukturierungskosten. Bitte beachten Sie die in den letzten Jahren stark sinkende Einberufungsquote (prozentual) und die "schleichende" Umwandlung der (im Ausland) einsetzbaren Einheiten.

     

    Herr (Dr. No) zu Gutenberg hat nur aus privat-politischen Gründen diesen unmerklich schleichenden Vorgang mit medialer Unterstützung zu "seinem" Werk erklärt... um kurz darauf festzustellen, das er für seinen recht kurzfristigen Umbau der Streitkräfte sehr viel mehr Haushaltsmittel benötigen wird.

    Und das Deutschland in keinem Fall die Mittel für eine auslandstaugliche Interventionsarmee, bei gleichzeitiger Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht, aufbringen wird - insgesamt also etwa 500.000 Mann - dürfte wohl jedem bei einem Blick auf die tickende Schuldenuhr sofort ersichtlich sein.

     

    Das Herr de Maiziere dieses verkorkste politische Erbe antritt... er ist nichts anderes als eine Reinigungskraft, die den Dreck (samt glitzer-Feenstaub) eines dreisten Betrügers aufsammeln darf.

    Und dieser Job ist wirklich undankbar!