Kommentar Bundestagswahl: Wer wählt schon Verlierer?

Die SPD hat noch eine Chance, ihre komplette Niederlage zu verhindern. Sie muss am Sonntag in Erfurt oder Saarbrücken siegen.

Es gibt bei Wahlen einen Zeitpunkt, an dem Programm und Profil nicht mehr so wichtig sind. Dann regiert allein die Logik des Erfolges. Täglich wächst dann die Hemmung, den Verlierer zu wählen - ebenso wie die Versuchung, doch lieber auf der Seite der Mehrheit zu stehen. Und weil derzeit jeder annimmt, dass Schwarz-Gelb die Bundestagswahlen gewinnt, kommt es auch so. Der Teufel scheißt auf den größten Haufen.

Die SPD hat noch eine Chance, ihre komplette Niederlage zu verhindern. Sie muss am Sonntag in Erfurt oder Saarbrücken siegen. Gelingt dies nicht, dann dürfte niemand den schwarz-gelben Durchmarsch mehr stoppen können. Noch nicht mal schwächelnde CDU-Kandidaten wie Dieter Althaus und Peter Müller.

Und was ist mit dem Rot-Rot-Gespenst? Die Union wird routinemäßig den Untergang des Abendlandes an die Wand malen. Nutzen wird ihr das nicht viel. Heiko Maas und Christoph Matschie sind nette, kompetente, brave Politiker, an denen die Antivolksfrontpropaganda abperlen wird. Steinmeier, auch kompetent und brav, hat so oft beteuert, dass die SPD im Bund mit der Linkspartei nichts im Sinn hat, das ihn gar niemand mehr danach fragt. Und die SPD-Rechte wird, schon aus Selbsterhaltungstrieb, nicht noch mal so ein Desaster wie in Hessen anrichten. Kurzum: Die SPD ist vor einer Glaubwürdigkeitskrise wie in Hessen gefeit.

Anders kann es bei den Grünen ausgehen, für die sich bislang niemand so recht interessiert. Zu Unrecht. Im Saarland wollen sie vielleicht Rot-Rot, vielleicht Schwarz-Gelb stützen. Das ist ein ziemlicher Spagat. Wenn die Saar-Grünen, trotz tiefem Dissens in der Bildungspolitik, wirklich Peter Müllers Posten retten, steht den Bundesgrünen eine unschöne Debatte ins Haus. Denn die Grünen versichern immer wieder, dass sie im Bund Merkel keinesfalls zur Kanzlerin machen werden. Warum aber soll man das glauben, wenn sie in Hamburg geräuschlos mit der CDU regieren und in Saarbrücken die SPD links liegen lassen?

Die Grünen haben den Weltverbesserungsfundamentalismus von vorgestern längst abgestreift. Sie haben eine treue Stammwählerschaft und gelten als offen und pragmatisch, aber irgendwie auch als links und sozial. Doch vom aufgeklärt Postideologischen zur puren Beliebigkeit ist es nur ein ganz kleiner Schritt. In Saarbrücken können sie diese Grenze überschreiten.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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