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Kommentar BundespräsidentenwahlDer Bewerbungsunfall droht

Kommentar von Tom Strohschneider

Die Linke hätte vieles richtig machen können bei dieser Bundespräsidentenwahl. Doch nun sieht es wieder einmal so aus, als ob da einiges falsch läuft.

E ine große Runde hat sich am Donnerstag nicht auf einen Kandidaten für das höchste Staatsamt einigen können. Neben der Antifaschistin Beate Klarsfeld, die schon seit Tagen im Gespräch ist, stehen jetzt auch der Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge und abermals die Abgeordnete Luc Jochimsen auf dem linken Bewerber-Zettel.

Eine Entscheidung soll nun erst am Montag darüber fallen, wer am 18. März gegen Joachim Gauck ins Rennen geschickt wird - in dem es für die Partei nicht um Sieg geht, sondern um die öffentliche Wirkung. Doch wie sieht die jetzt aus? Linken-Chefin Gesine Lötzsch hat die innerparteiliche Qual der Wahl gestern als „komfortable Situation“ gedeutet - wovon aber keine Rede sein kann.

Was als politisches Signal gegen das große Gauck-Bündnis gedacht war, die Nominierung eines alternativen Bewerbers, droht stattdessen zum medialen Unfall zu werden. Die Linke mache erneut keine gute Figur in der Kandidatenfrage, heißt es nun überall - und das liegt nicht nur daran, dass es die Partei, zumal in Sachen Gauck, ohnehin schwer hat, auf ein freundlicheres Echo zu stoßen.

Bild: privat
TOM STROHSCHNEIDER

ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Allzu offenbar sieht es bei ihrer Bewerberkür nach Kommunikationspanne und Flügelstreit aus. Es werden jetzt Stimmen laut, die es einen demokratischen Vorteil nennen, wenn die Linke sogar mehrere Namen in petto hat und über die eigene Auswahl transparent befindet: Nicht nur eine Alternative, sogar mehrere gegen Gauck! Doch es lässt sich schwerlich ein politischer Gewinn daraus erzielen, nun in einem quasi öffentlichen Verfahren zwei der drei Anwärter wieder auszusortieren.

Welche Nachricht will man da am Montag denn verbreiten: dass die Linke einer politischen Grand Dame wie Beate Klarsfeld die Tür in letzter Minute vor dem Kopf zuschlägt? Dass sie sich doch gegen Christoph Butterwegge, einen ausgewiesenen Kenner der bundesdeutschen Sozialpolitik entschieden habe? Dass man die auch jenseits der Linken angesehene Luc Jochimsen, die sich schon einmal den aussichtslosen Wahlkampf ums Präsidentenamt antat, leider nicht berücksichtigen könne?

Was eine kritische Intervention in die Gauck-Debatte werden sollte, gerät zur reinen Linkspartei-Diskussion. Scheidet Klarsfeld aus, werden das viele auf die Israeldebatten in der Linken schieben oder darauf, dass die Bewerberin ihre Bereitschaft sogleich mit kritischen Anmerkungen über die Genossen versah. Bei einer Entscheidung gegen Butterwege wird man sagen, hier habe sich eine aus dem Geist der Hartz-Proteste geborene Partei aus taktischen Gründen gegen jene Person entschieden, welche am ehesten unter den drei die Kritik gegen die Arbeitsmarktreformen vertritt.

Und würde es am Ende Luc Jochimsen noch einmal versuchen, stünde die Frage im Raum, warum ausgerechnet die Bewerberin sich durchgesetzt hat, die ihrer Partei empfahl, die Bundesversammlung lieber ganz zu boykottieren. Dort wird der Bundespräsident, so steht es im Grundgesetz, „ohne Aussprache“ gewählt.

Parlamentsjuristen haben den Sinn dieser Formulierung vor allem als Absage an einen Wahlkampf um das höchste Staatsamt verstanden - der viel zitierten Würde wegen. Eine Alternative ist aber gerade dann umso wichtiger, wenn sich eine übergroße Parteien-Koalition schon vorher auf den Sieger verständigt hat. Der Linken ist dabei eine große Verantwortung zugefallen - kaum zu glauben, dass sie dieser jetzt noch gerecht werden kann.

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20 Kommentare

 / 
  • DR
    Dr. Rotkohl

    Philosoph

    Noch nie ging es SED und Stasi so gut wie heute.

    IM Erika und IM Larve vergauckeln das Volk.

    Und auch die Linken wollen nur mitspielen.

    Mitspielen beim Poker ums Privat-Geld.

  • HH
    @ Hoga: Antifaschismus hasst dieser Staat BRD

    In diesem Staate wird Antifaschismus und werden Antifaschisten gehasst, wie die Pest; Faschisten werden hofiert.

    Warum? Die Antwort fällt nicht schwer: Der Faschismus ist die höchste Form des Kapitalismus.

    Unabhängig davon (da haute diese Fromel nciht hin), werden in beiden Systememn bEhinderte nicht gemocht und dementsprechend (im wahrsten Sinne des Wortes) BEHANDELT.

  • M
    Marvin

    Und hätten sie nur eine Kandidatin verkündet, hätte es "überall" gehießen, sie würden die Posten in Hinterzimmer-Männer-Bier-Runden ausmachen!

     

    Ach, was muss man die denn immer so 'runterschreiben!

     

    Wichtig ist doch, wofür so eine Partei steht, was in ihrem Programm steht & welche Positionen sie vertritt. Wenn die Leute, die die Linke nicht mögen, doch einmal eine tatsächlich inhaltliche Kritik aufmachen würden!!!

     

    Immer heißt es nur "aus Parteikreisen heißt es, Israel wäre vielleicht generell doof" oder "aus Parteikreisen heißt es, Lafontaine wäre alt und männlich" oder es wird scharf kritisiert, dass die eine oder andere Strategie oder Taktik, der eine oder andere bürokratische Vorgang skandalös verlaufen würde. Oder, noch eine Etage tiefer, man streut einfach die Worte Osten, StaSi, Mauer & Nordkorea mit ein.

     

    Wer mir Die Linke unsympathisch machen möchte, soll mich vom Afghanistankrieg überzeugen, vom den Hartz-Gesetzen und vom selektiven Bildungssystem!

     

    Wo bleibt die Schärfe in der inhaltlichen Kritik?

    Wäre es nicht möglich, knackige & gut begründete Gegenpositionen zu entwickeln, statt immer nur an solchen Geschichten herumzumäkeln?

  • MK
    mir kommentiert

    Die Linke kann es der ach-so-tollen "Mitte" auch nie recht machen.

  • H
    Hoga

    Frau Klarsfeld wäre auf jeden Fall eine gute Empfehlung. Was zeichnet denn den Herrn Gauck eigentlich aus und prädestiniert ihn für das Amt? Seine Aussage, dass dieses Land zu lieben sei? Wie sagte doch einst der große Heinemann: Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau.

    Frau Klarsfeld ist eine ausgewiesene Antifaschistin und das passte z.Zt. sehr gut.

  • S
    Sokrates

    Guter Beitrag. Lasst doch die innerparteiliche Demokratie entscheiden: Die drei Bewerber stellen sich zur Wahl. Ein Wahlgremium lässt Befürworter und Gegner der Bewerber zu Wort kommen, danach wird abgestimmt. Der Bewerber mit den meisten Stimmen tritt gegen Gauck an.

    Die Linke kann nur durch Öffentlichkeit punkten, auch die Präsidentenwahl kann Die Linke nicht gewinnen. Es kommt vielmehr auf die Symbolkraft und die Transparenz an. Die Bevölkerung kann sehen, was diese Linke, eine, von der Kanzlerin ausgegrenzte Partei für demokratisch und fachlich kompetente Persönlichkeiten aufbieten kann. Dieses Prozedere würde in jedem Fall demokratischer eingestuft als der Hick-Hack des bürgerlich-verbrauchten 5er Blocks von CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne bei der Nominierung von Gauck.

  • H
    Hans

    Herr Strohschneider hat leider völlig recht! (egal welche Medien sonst noch diese Meinung zur Kandidatenkür der Linken haben oder nicht)

    Frau Klarsfeld erst zur Kandidatur zu bitten, sie jetzt hinzuhalten, nachdem sie sich bereiterklärt hat, und am Ende vielleicht wieder auszuladen, ist schlicht eine Zumutung für diese verdiente Frau! Ich an ihrer Stelle würde selbst mit einer entsprechenden Erklärung von der Kandidatur zurücktreten!!!

  • C
    Corvin

    In einer Demokratie sollten mehrere Bewerber für ein hohes Staatsamt zur Auswahl stehen und auch darüber diskutiert werden, wer die sozial engagierten und sozialkritischen Bürger am besten vertreten könnte. Herr Gauck weist hier eindeutig erhebliche Defizite auf. Und die Auswahl von Herrn Gauck glich nach dem Kommentar von Herrn Precht in der Talkshow "Anne Will" auch zu Recht einem "Schmierentheater".

     

    Wo ist also das Problem? Die Zustimmung der Springer Presse wird die Linke nie finden. Auf das biedere Niveau dieser Presse sollte (man) sich auch nicht herablassen.

  • U
    Unbenannt

    Wenn man Luc Jochimsen mal als zu parteiisch weg lässt hat die Linkspartei die Wahl zwischen einer antifaschistischen Aktivistin, die ihren Kampf nicht politisch reflektiert hat. Oder einen Antikapitalisten, der letztlich "nur" ein Technokrat, Pardon, ein Experte ist. Beide haben wichtiges zu sagen, aber sie decken nur ihr spezifisches Gebiet ab.

     

    Ich finde es gut, wenn sich die Linkspartei Zeit lässt zwischen diese beiden Kandidaten und deren Themen zu wählen. Das Vorgehen nennt sich Demokratie und unterscheidet sich von dem was CDU/CSU/FDP/SPD/Grüne gemacht haben. Darum hat sich hier meiner Meinung nach wieder Srohschneider blamiert. Und ich bin wieder mal froh, dass ich schon seit längerem kein TAZ Abo mehr habe.

  • RB
    Rainer B.

    Kandidaten antreten lassen, damit sie am Ende doch nicht gewählt werden?! Wie krank ist das denn? Warum mutet man den genannten Kandidaten das zu? Kennt der Masochismus in der Linkspartei eigentlich gar keine Grenzen. Erst werden sie demonstrativ vom Verfahren ausgeschlossen und dann wollen sie sich auch noch alternativ an diesem Demokratiegewurschtel beteiligen. Die einzig richtige Antwort der Linken kann doch nur sein, dass sie der Bundespräsidentenwahl fern bleibt und sich in Ruhe auf die nächste in spätestens zwei Jahren vorbereitet. Bis dahin wird sich die Verzückung über Gauck gelegt haben, seine Leichen werden aus dem Keller gehoben sein und es wird deutlicher werden, dass Gauck nicht der nette, alte Freiheitskämpfer ist, für den man ihn uns verkaufen will.

  • G
    godzilla

    klarsfeld! das wird eine schallende ohrfeige für die kungelrunde! ich darf ja leider nicht, weil ich eine filmfigur bin - und weil meine arme zu kurz sind.

     

    grummelnd

    godzilla

  • H
    Hajü

    Kann sein , kann sein, lieber tom, meine natürlich den Großen Tom. Alle jetzt verbliebenen und öffentlich gemachten 3 möglichen Gegenkandidaten sind, das drückst du ja auch aus, sind allemal wählbarer als Gauck.

    Warum nicht also eine Troika, für das notleidende

    Deutschland.

    Beate Klarsfeld mit Mut und Entschlossenheit als deutsche Jeanne d´Arc;

    Christoph Butterwegge zur (Ehren)Rettung der deutschen Geistes- und Sozialwissenschaften;

    und Lucrezia Jochimsen das edle Gegenstück zu Mutti Merkel.

  • M
    Markus

    das finde ich das lustige an der deutschen demokartie: wenn mehrere kandidatInnen zur auswahl stehen und deren vor- und nachteile diskutiert werden, spricht man von "qual" und "streit". wenn nur ein kandidat vorgschlagen wird, spricht man von "wahl"...

  • A
    axel

    Da versucht Herr Strohschneider aus einem Diskussionsprozeß, der am Montag mit einer Namensnennung abgeschlossen werden soll, allen Ernstes einen "Bewerbungsunfall" der Linken zu machen.

     

    Man kann ja vielleicht noch annehmen, daß dies der Strohschneidersche Versuch ist, von dem Nicht-Diskussionsprozeß bei den Grünen bzw. der verordneten Gauck-Kandidatur abzulenken, aber immerhin findet bei der Linken eine löbliche Suche und Diskussion um eine/einen geeignete/n Person statt.

  • A
    anke

    Wo ein Wille sei, behauptet ein altes Sprichwort, wäre auch ein Weg. Wenn ich mir den Weg betrachte, den Tom Strohschneider zwischen seinem ersten und seinem letzten Satz zurückgelegt hat, glaube ich ganz klar erkennen zu können, worin der Wille in seinem Fall bestand.

     

    Was daherkommt wie ein simples Genörgel oder Gemecker, das hat womöglich System. Nie nämlich spricht Tom Strohschneider im ersten oder dritten Fall Singular (ich, er, sie). Er verwendet statt dessen nichtssagende Floskeln wie "eine große Runde", "heißt es nun überall" oder "man wird sagen". Wer man oder wo überall ist, verrät er seinen Lesern nicht. Statt dessen beklagt er sich. "Stimmen werden laut" in seinen Ohren und einsame "Fragen" müssen traurig "im Raum" herum stehen. Sie können einem direkt leid tun, die Fragen, die Stimmen und die Runden: so viel Verantwortung bei so wenig Substanz!

     

    Tom Stohdrescher – äh, sorry: -schneider hingegen braucht einem nicht leid zu tun. Er übernimmt ja schließlich überhaupt keine Verantwortung. Er wartet. Darauf zum Beispiel, dass die Linke ihm sagt, "welche Nachricht […] man da am Montag denn verbreiten" soll bzw. will. Seltsam, das! Und ich Dummy dachte, freie Journalisten ließen sich von politischen Parteien rein gar nichts vorschreiben, gleich zweimal nicht, welche Nachricht sie zu verbreiten haben!

     

    Wenn die Linkspartei dann doch lieber eine interne Findungs-Diskussion führen möchte an Stelle der "kritischen Intervention" in Sachen Bundespräsi, kann ich ihr das nicht verübeln. Was muss, das muss halt, und in spätestens 5 Jahren wird wieder gewählt. Soll doch Herr Strohschneider einstweilen selbst intervenieren! Dass irgendwelche anonymen "Parlamentsjuristen […] den Sinn dieser Formulierung [ohne Aussprache", Anm.d.V.] vor allem als Absage an einen Wahlkampf um das höchste Staatsamt verstanden" haben wollten, ficht ihn ja auch nicht an. Er wahlkämpft munter drauf los. Würde hin oder her.

     

    Kaum zu glauben, dass er damit seiner Rolle im System der Gewaltenteilung gerecht zu werden meint!

  • RW
    Rüdiger Weckmann

    Schwache Argumente.

    Bei jeder Wahl gibt es Gewinner und Verlierer.

    Das ist Demokratie und kein (Bewerbungs-)Unfall.

  • S
    Stefan

    Beate Klarsfelds Arbeit ist zu gut als das sie von der Linken als ihr Aushängeschild instrumentalisiert wird. Deswegen war es wichtig, dass sie betonte, die Linke sei nicht ihre Partei.

  • M
    Marc

    Hinter vorgehaltener Hand dürften sicherlich auch Namen wie Margot Honecker oder Christian Klar gefallen sein.

  • F
    Friederike

    Ja isses denn?

     

    Präsidenten- gleich welcher Coleur und gleich welcher Art, werden nicht gewählt- die werden "gemacht"! Auch bei Kanzlern ist das letztlich so.

    Die Bilderberger laden ein und das Komitee der 300 lässt vielleicht noch grüßen.

     

    Gauck wird Präsident. Das steht fest und die Kanzlerin hat es abgesegnet.Wehe, jetzt kommt ihr noch einer quer. Ja glaubt denn einer, das sich ein Politiker gegen sie stellen würde? Die wollen den "Scheiss" erledigt haben und zwar zackig !

     

    Alle Namen, die jetzt noch genannt werden, sind ehrenhafte Leute, aber sie werden nicht gewählt werden. Es artet in ein Volkstheater aus, in dem der Star ausgewechselt werden soll, ehe die Vorstellung beginnt. Kein Intendant oder Regisseur würde das dulden.

     

    Wir bekommen so richtig nette Gladiatorenspielchen vorgesetzt. Meih- is des schäääääbig.

     

    Grüßle an die Machenschaften ;-)

  • W
    Westberliner

    Zitat: "Die Linke mache erneut keine gute Figur in der Kandidatenfrage, heißt es nun überall - ... "

     

    Wer ist "überall"? Sind das die BLÖD, die FAZ und andere Verdummungs- und neoliberalen Medien?

     

    Der Linkspartei kann es egal sein, was diese Me3dien schreiben, denn die Leser dieser Medien sind garantiert keine Wähler. Also, locker bleiben. Herr Strohschneider.