Kommentar Bürgerrechte: Liberale enttäuschen

Die schwarz-gelben Koalitionsvereinbarungen zeigen: Mit der derzeitigen FDP ist keine offensiv verfochtene Alternative zum Konzept eines rundum gesicherten Staates zu haben.

Was die Liberalen bei den Bürgerrechten in den Koalitionsverhandlungen mit der Union herausgeholt haben, wird weder für großen Jubel noch für große Aufregung sorgen. Mehr war realistischerweise nicht zu erwarten. Und genau hier liegt das Problem.

Es zeigt sich nämlich, dass mit der derzeitigen Haltung der FDP - die sich in vielen Punkten mit der von Grünen und Linken deckt - keine offensiv verfochtene Alternative zum Konzept eines rundum ver- und gesicherten Staates zu haben ist. Es gibt nur Schäuble und ein Weniger-Schäuble. Dementsprechend sind die Verfechter von Gesetzesverschärfungen stets am Drücker, während ihre Gegner sich in einem beständigen Rückzugsgefecht befinden. Und bei jeder Barrikade, die sie eine Zeit lang halten, schreien sie laut Erfolg.

Dabei bräuchte es gar nicht den allumfassenden Gegenentwurf zum Sicherheitsstaat. Gewonnen wäre schon etwas, wenn endlich auch von Bürgerrechtsseite akzeptiert würde, dass eine Terrorgefahr existiert. Auf dieser Grundlage wären Maßnahmen zu diskutieren, welche für ein alternatives Bild vom Menschen stehen, nämlich für einen, der nicht ständig überwacht und geleitet werden will und dafür auch mit gewissen Risiken - die es im Übrigen auch mit Überwachung gibt - leben kann.

Zu solchen Maßnahmen könnten beispielsweise gezielte De-Radikalisierungs-Programme für Menschen zählen, die drohen in islamistische oder dschihadistische Kreise abzurutschen, wie es sie in Großbritannien oder in den Niederlanden gibt. Gefängnisse sind ebenfalls Orte der Radikalisierung. Aber es gibt nur wenige Vereine, die versuchen diesen Prozess zu unterbrechen - von notwendigen Veränderungen in der Integrationspolitik ganz zu schweigen.

Diese Alternativen sind keine Allheilmittel. Aber doch zumindest Anstöße für einen Weg aus der wenig fruchtbaren Gefangenschaft zwischen einer bedingungslosen Unterstützung des Sicherheitsstaats und dem zu einfachen Dagegensein.

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Redakteur im Ressort Reportage und Recherche. Autor von "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin 2022) und "Ich höre keine Sirenen mehr. Krieg und Alltag in der Ukraine" (Siedler 2023). Reporterpreis 2018, Theodor-Wolff-Preis 2019, Auszeichnung zum Team des Jahres 2019 zusammen mit den besten Kolleg:innen der Welt für die Recherchen zum Hannibal-Komplex.

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