Kommentar Browns schottische Niederlage: Die Freiheit des Verlierers

Gordon Brown ist ruiniert und könnte jetzt noch gute Politik machen. Zum Beispiel indem er die britischen Truppen aus dem Irak abzieht.

Wenigstens hat Gordon Brown jetzt eine Atempause: Am Dienstag hat sich das britische Parlament in die Sommerferien verabschiedet. Doch die Niederlage am Donnerstag bei der Nachwahl in Glasgow East, einer bisherigen Labour-Hochburg, wird spätestens im September wieder auf der Tagesordnung stehen.

Browns einziges Plus ist der Mangel an aussichtsreichen Kandidaten für seine Nachfolge. Welcher Spitzenpolitiker mit Ambitionen möchte das Amt zu einem Zeitpunkt übernehmen, wo die Frage lediglich ist, wie hoch Labour die Parlamentswahlen, die spätestens im Juni 2010 stattfinden müssen, verlieren wird? Es ist vorteilhafter, bis nach diesen Wahlen zu warten und sich dann als Erneuerer zu präsentieren.

Der schottische Premierminister Alex Salmond von der separatistischen Scottish National Party (SNP) hatte die Wahl in Glasgow zu einem Popularitätswettbewerb zwischen seiner Minderheitsregierung in Edinburgh und Browns Londoner Regierung erklärt. Das war riskant, zahlte sich aber aus. Zudem war Salmond in dem Wahlkreis ständig präsent, während Brown sich gar nicht in Glasgow blicken ließ.

Was besonders schwer wiegt, ist die Tatsache, dass die Wechselwähler der Labour Party bereits 2005 den Rücken gekehrt haben. In Glasgow hat die Partei nun auch ihre Stammwähler eingebüßt. Fairerweise muss man Brown zugestehen, dass er nicht alleine die Schuld am Labour-Niedergang trägt. Der hatte bereits begonnen, als er das Amt von Tony Blair im vorigen Sommer übernahm. Damals hätte nur ein radikaler Neuanfang die Geschicke der Partei wenden können. Doch der war mit Brown nicht zu bewerkstelligen.

Denn seitdem er 1994 Parteichef wurde, trat er stets mit Blair als Duo auf. Beide haben die Labour Party gemeinsam von einer relativ linken Partei zur neoliberalen "New Labour Party" umgekrempelt, die in vielen Punkten sogar die Tories rechts überholte. Solange der Wirtschaftsaufschwung währte, hatten sie damit auch Erfolg. Doch damit ist es mittlerweile vorbei.

So kann sich Brown, falls sich die Abgeordneten auf dem Parteitag im September nicht doch zu einer Verzweiflungstat hinreißen lassen, nur noch um einen anständigen Abgang bemühen. Er könnte zum Beispiel die britischen Truppen aus dem Irak abziehen und sich innenpolitisch für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen, an der es gerade in Glasgow East mangelt. Zu verlieren hat er nichts mehr. So oder so wird er als Fußnote in die britische Geschichte eingehen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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