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Kommentar Boykott der Anti-Rassismuskonferenz - ContraStärkung für die Störer

Kommentar von Silke Voss-Kyeck

Ist es richtig, dass Deutschland die Anti-Rassismuskonferenz der UN Boykottiert? Nein - denn darunter leiden vor allem die, die von der Konferenz profitieren sollen.

Silke Voss-Kyeck

Expertin für die Vereinten Nationen bei der deutschen Sektion von Amnesty International. Zuletzt kritisierte die Politologin den UN-Bericht der Bundesregierung zur Lage der Flüchtlinge in Deutschland. Dieser habe "mit der Realität nicht allzu viel zu tun".

ichtig gedacht, dumm gemacht - so könnte man den vorzeitigen Rückzug Deutschlands von der UN-Antirassismuskonferenz in Genf bewerten. Natürlich geht es nicht an, dass eine UN-Konferenz zu einem so wichtigen Thema für politische Partikularinteressen missbraucht wird. Doch mit ihrer Entscheidung, nicht teilzunehmen, gibt die Bundesregierung genau solchem Missbrauch Raum.

Was vielleicht noch schwerer wiegt: Der politische Streit wird auf dem Rücken der Opfer rassistischer Diskriminierung ausgetragen - also zu Lasten genau jener, denen diese Konferenz helfen soll. Ziel der Konferenz ist es, den Schutz vor rassistischer Diskriminierung in allen Formen wirksam zu stärken. Nachdem aus dem letzten Entwurf für das Abschlussdokument umstrittene Passagen, etwa zu Israel oder zur Diffamierung von Religionen, getilgt wurden, war der Weg frei für eine Konferenz, bei der sich die teilnehmenden Staaten drängender Fragen annehmen sollten: Wo stehen wir mit der Umsetzung der Empfehlungen der UN-Konferenz von 2001, in Europa etwa dem Schutz der Roma? Was kann getan werden, um den Teufelskreis von Armut und Rassismus zu durchbrechen? Wie begegnet die Staatengemeinschaft neuen Herausforderungen wie Diskriminierung infolge des "Kriegs gegen den Terror", der steigenden Armutsmigration oder der globalen Finanzkrise? Wie können wir es erreichen, dass mehr Staaten der UN-Antirassismuskonvention beitreten?

Der Rückzug der USA, Italiens, der Niederlande, Australiens, Polens und eben auch Deutschlands schadet diesen Konferenzanliegen. Erst wenn im Saal tatsächlich unakzeptable, etwa antisemitische Äußerungen fallen, ist es Zeit, den Saal zu verlassen oder in anderer Weise zu protestieren, um den Missbrauch vor Ort für alle sichtbar zu desavouieren. Der vorzeitige Rückzug stärkt nur die "Störer" und schwächt die Verhandlungsposition der Bundesregierung in den Menschenrechtsgremien der UN erheblich.

Der Bundesregierung hätte auch aus einem anderen Grund eine Teilnahme gut angestanden: Sie hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Viel zu lange haben wir hier auf den in Durban geforderten Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus warten müssen. Der 2008 präsentierte Plan wird den Problemen in Deutschland nicht gerecht. Wenn die Bundesregierung nun erklärt, sie bleibe den Zielen der Konferenz weiterhin verpflichtet, sollte sie baldmöglichst beginnen, beim Aktionsplan nachzubessern.

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