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Klar, ungeschützter Analsex unter Männern ist nicht ganz ohne. Ein viel höheres Risiko, sich mit HIV anzustecken, hat allerdings eine Frau, die passive Partnerin bei heterosexuellem Analverkehr ist. Natürlich hat man noch die Horrorartikel aus den frühen 90ern über HIV-infizierte Bluter vor Augen und natürlich will jeder das Risisko einer HIV-Ansteckung bei Bluttransfusionen möglichst ausschließen, aber ist das der richtige Weg? Oder ist es nicht besser, weiter aufzuklären (Ja, AIDS ist immer noch tödlich! Und es ist auch keine "Lustseuche"!), Kondome zu benutzen (statt sich mit der "Man lebt nur einmal (und nach mir die Sinnflut)!"-Haltung zu produzieren, weil man cool und abgebrüht rüberkommen will), Bisexualität zu enttabuisieren (Doch, das gibt es. Aber wenn Du ihm entgegenknallst, dass er sowieso nur 'ne Virenschleuder und irgendwie "gestört" ist, wird er sich nicht trauen, seiner Frau/Freundin reinen Wein einzuschenken, dass er auch mit Männern schläft und evtl. gelegentlich sogar Geld dafür zahlt. Und sie wird denken, dass sie nicht aufpassen müssen. Und er wird an irgendein Arsch geraten, dass ihn beredet, es "ohne" zu tun, weil man "solche" Leute eh' nicht ernstnehmen kann und dann habt ihr den Salat!)???
Ich beschäftige mich nun seit mehr als fünf Jahren intensiv mit dem Thema HIV und deshalb auch mit dem Thema Blutspende. Während ich am Anfang genau so wie Sie gegen einen pauschalen Ausschluss war (der in Wahrheit keiner ist, es wird nach Sexualkontakten und nicht nach der Orientierung gefragt!), sehe ich heute jedoch praktisch keine Möglichkeiten mehr, jemanden, der innerhalb der letzten 4 Monate männlich-homosexuellen Verkehr hatte, zuzulassen. In den vereinfachenden Präventionsbotschaften werden "wirksame" Schutzstrategien wie Kondome oder Treue angepriesen, das Problem ist, dass tatsächlich immer ein Restrisiko bleibt, das in der Praxis zudem gar nicht mal so gering ist. So dürfte der praktische Schutzeffekt von Kondomen bei 80% liegen, und auch Betrug in der Partnerschaft kommt immer wieder vor. Dies trifft natürlich genauso auch die Heteros, aber das "Herdenrisiko" ist bei Homosexuellen durch die bereits hohe Prävalenz unvergleichbar höher. Im Alltag aus der Aidshilfe kann ich auch subjektiv bestätigen, dass ein nicht unwesentlicher Anteil Schwuler sich infiziert, "obwohl ich doch immer streng Safer Sex betrieben habe". Der Wahrheitsgehalt sei hingestellt, in vielen Fällen stellt dies aber die subjektive Wirklichkeit dar, die im Ernstfall auch beim Blutspenden erzählt werden würde. Die letzten beiden HIV-Übertragungen durch Blutspenden in Deutschland (in den letzten fünf Jahren! Nicht in den 90ern!) sind leider genau die Schwulen gewesen, die sich durch vermeintliche Monogamie keinem Risiko ausgesetzt sahen. Deshalb halte ich es für die einzige Möglichkeit, Schwulen, die schon länger als 4 (6,12) Monate keinen homosexuellen Kontakt mehr hatten, das Blutspenden zu erlauben.
@trnity;
Nur mal ganz nebenbei, Männer, die mit Männern einmal „Intimkontakt“ hatten sind mit Sicherheit keine Minderheit.
Wann immer es um das Thema MSM und Blutspende geht sticht der Trumpf "Diskriminierung" alle Argumente. Aus der Politik ist man derlei ja gewohnt. Aber auch bei der TAZ gilt inzwischen wohl die Devise: "Verschont mich mit Fakten - ich habe schon meine Meinung".
Lieber Paul Wrusch!
Sie schreiben selber in ihrem Hauptartikel zum "schwulen Blut", dass sechs Menschen Opfer einer verseuchten Blutkonserve durch zwei Spenden homosexueller Männer geworden sind.
Dies macht eine Quote von 33 Prozent, was angesichts der Tatsache, dass Schwule gesellschaftlich immer noch eine Minderheit darstellen, schon recht hoch ist. Noch höher wird dieser Zahl, wenn man sich vor Augen führt, dass Schwule ja eigentlich vom Blutspenden ausgeschlossen sind. Ich gehe mal davon aus, dass die meisten Schwulen auch tatsächlich nicht spenden gehen, ansonsten kann ja keine Rede von Diskriminierung sein! Das heißt also, dass diese klitzekleine Minderheit, die durch das Ausschlußverfahren durchgeflutscht ist, ein extrem hohes Risiko zur Infizierung anderer, vorher gesunder Menschen darstellt!
Sie selber erwähnen in ihrem Artikel auch, dass die Tests in gewissen Phasen nicht sicher sind! Wollen Sie tatsächlich, nur um Schwule nicht zu diskriminieren, andere Menschen tödlich diskriminieren, indem Schwule spenden dürfen??
@trinity Ich meinte natürlich, 2 von 6 Opfern wurden durch Blut von homosexuellen Männern infiziert!
Die Debatte um die Grenzen Deutschlands erinnern an historische Debatten um nationale Souveränität – und zeigt: Grenzen sind soziale Konstrukte.
Kommentar Blutspende Homosexuelle: Es gibt nur riskantes Verhalten
Es ist richtig, Menschen die Blutspende zu verwehren, die ein akutes HIV-Risiko haben. Man kann dieses aber nicht an sexueller Orientierung erkennen.
Schwule und bisexuelle Männer werden unter Generalverdacht gestellt Bild: dpa
Es ist ein Relikt aus den 80er Jahren. Obwohl es seit Jahren zu wenig Blutspender gibt, dürfen Männer, die mit Männern einmal „Intimkontakt“ hatten, ihr Blut nicht spenden. Ob dieser Kontakt 20 Jahre oder zwei Tage her ist, spielt keine Rolle.
Grund dafür – so die Experten – ist ihr statistisch erhöhtes Risiko für eine HIV-Erkrankung. Denn selbst die besten Tests können eine frische Infektion nicht feststellen. Deshalb nehmen es die Verantwortlichen in Kauf, alle schwulen und bisexuellen Männer unter Generalverdacht zu stellen.
Sie ignorieren damit das individuelle Sexualverhalten von Menschen, ganz gleich ob homo-, bi- oder heterosexuell. Es stimmt zwar, dass knapp zwei Drittel der HIV-Neuinfektionen homosexuelle Männer betrifft.
Aber nicht Homosexualität ist Grund für ein erhöhtes Risiko, sondern risikohafte Sexualpraktiken, ungeschützter Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern etwa. Das trifft Heteros wie Homos. Es gibt keine Risikogruppen, sondern nur Risikoverhalten. Nur danach sollte in den Fragebögen, die vor jeder Blutspende ausgefüllt werden müssen, gefragt werden.
Die Hälfte der schwulen Männer in Deutschland lebt in einer festen Partnerschaft. Wer als Hetero regelmäßig in den Sexurlaub nach Thailand fährt oder ständig mit einer anderen Frau schläft, ohne zu verhüten, hat ein höheres HIV-Risiko. Das müssten auch die Experten von Bundesärztekammer und zuständigen Instituten wissen.
Seit Jahren prüfen sie die Richtlinien – ohne Ergebnis. Dabei könnte man vom Ausland lernen. Russland, Spanien, Schweden, Argentinien, Australien. Die Liste der Länder, die Schwule die Blutspende nicht pauschal verbieten, ist lang. In Italien etwa, wo seit 2001 nicht mehr zwischen Homos und Heteros unterschieden wird, stieg die Zahl der Blutspender in der Folge um 20 Prozent.
Auch SexarbeiterInnen, Häftlinge und Drogenkonsumenten dürfen kein Blut spenden. Es ist richtig, Menschen von der Blutspende auszuschließen, die ein akutes HIV-Risiko haben. Man kann dieses aber nicht an sexueller Orientierung, Beruf oder Unterkunft erkennen – man muss nach dem Verhalten fragen. Verbunden mit einer Aufklärungskampagne würde so das Risiko sinken, eine HIV-infizierte Blutkonserve nicht zu entdecken. Eine Abkehr von der bisherigen diskriminierenden Praxis hin zu einer, die die Realität anerkennt, hätte also positive Folgen. Nicht nur für homo- und bisexuelle Männer, sondern für alle.
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Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Kommentar von
Paul Wrusch
Ressortleiter wochentaz
Jahrgang 1984, hat Journalistik und Soziologie in Leipzig studiert. Seit 2009 ist er bei der taz. Nach seinem Volontariat war er Redakteur in der sonntaz, bei taz.de, bei taz2/Medien und im Inlandsressort. Jetzt Ressortleiter der wochentaz.
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