Kommentar Biosprit: Populismus aus den richtigen Gründen
Hungerbekämpfung ist wichtiger als Klimaschutz: Darauf lässt sich die Debatte um Biosprit reduzieren. Doch wer Hunger bekämpfen will, muss auch das Klima schützen.
H ungerbekämpfung ist wichtiger als Klimaschutz. Auf diese simple Formel lässt sich die Debatte um Biosprit in Deutschland reduzieren. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) hat die Diskussion angestoßen.
Die Gefahr ist zwar groß, dass mit simplen Bildern Ökopopulismus betrieben wird: Dieses Kind in Afrika hungert, weil dieser reiche Pinkel Biosprit in seinen Sportwagen kippt. Doch egal, ob Niebel lediglich der FDP ein menschlicheres Antlitz verpassen will: Er spricht das Richtige an.
Damit erschöpft sich das Lob allerdings. Denn wer den Hunger wirklich bekämpfen will, muss das Klima schützen, Kriege verhindern, Spekulationen auf Nahrungsmittel eindämmen, der muss dafür sorgen, dass hoch subventionierte EU- und US-amerikanische Agrarprodukte nicht Bauern in armen Ländern in den Ruin treiben. Der muss verhindern, dass diesen Menschen von Großkonzernen der Grund und Boden weggekauft wird, um sie danach als Lohnsklaven auf ihren Feldern schuften zu lassen.
Der Kampf um eine bessere Welt wird aber an der drohenden Hungerkrise nichts ändern. Die muss in den gegebenen Strukturen gelöst werden. Dürren führen dazu, dass Getreidepreise steigen. Das führt zu Hunger an Orten, die man nicht genau lokalisieren und denen man deshalb nicht einfach einen Lkw mit Mehl vorbeischicken kann. Stattdessen leben überall einzelne Familien in Armut. Der Hunger ist diffus, wie ein metastasierender Tumor. Also müssen die Börsenpreise für Lebensmittel runter.
Dummerweise hat die EU in Sachen Biosprit eine starre Regelung. Es gibt keinen Notfallplan, der vorsieht, im Falle explodierender Preise für Grundnahrungsmittel kurzfristig Lebensmittel nicht mehr in den Tank zu stecken, um Märkte zu beruhigen. Es rächt sich jetzt, dass nur interveniert wird, falls Zinsen für Staatsanleihen steigen. Übrigens: Bis 2020 will die EU doppelt so viel Biosprit wie heute. Wo der angebaut werden soll, weiß bisher niemand.
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