Kommentar Bespitzelung der Linkspartei: Ein parteipolitisches Instrument
Der Papst und die Linkspartei sind kapitalismuskritisch. Warum aber nur die Linken dafür staatlich überwacht werden, ist nicht begründbar.
O b und wie die Linken vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ist eine Entscheidung, die stets auch von politischen Interessen geprägt ist. Die SPD rivalisiert mit der Linken um sozialdemokratische Wählerstimmen und hat daher ein Interesse an der Stigmatisierung der Linken. Auch für die CDU ist es praktisch, wenn die Linken im extremistischen Abseits stehen, schließlich erschwert es die Bildung von rot-grün-roten Koalitionen.
Dass Innenminister Friedrich nun die Partei nicht mehr in Gänze überwachen will, ist zwar ein überfälliger Schritt. Doch letztlich ist das nur ein taktisches Manöver, mit dem unter anderem das Bundesverfassungsgericht besänftigt werden soll, das bald über die Linken-Überwachung entscheiden wird.
Dass Friedrich kein mutiger und liberaler Politiker ist, sieht man schon daran, dass er zu diesem Schritt nicht offen steht und im Übrigen hofft, dass die Stigmatisierung von Teilen der Linkspartei für die Zwecke der Union ausreicht.
ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Aber auch die staatsschützerische Beobachtung von Untergruppen wie der „sozialistischen Linken“ ist keineswegs selbstverständlich. Letztlich wird ihnen vor allem vorgeworfen, sie wollten einen Systemwechsel und den Kapitalismus überwinden. Das Grundgesetz ist aber wirtschaftspolitisch neutral, es schreibt den Kapitalismus nicht als Wirtschaftsordnung Deutschlands fest. Kapitalismuskritiker – zu denen auch der Papst gehört – sind also keine Verfassungsfeinde.
Und warum soll es verfassungswidrig sein, sich für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Klassen einzusetzen, wie der Verfassungsschutz der Kommunistischen Plattform in der Linken vorwirft? Die Begründungen des Geheimdienstes sind alles andere als überzeugend.
Schon ein Blick in die deutschen Bundesländer zeigt, dass eine Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz keineswegs zwingend ist. Ein Drittel der Länder beobachtet die Linke gar nicht, ein Drittel der Landesämter sammelt Zeitungsausschnitte und ein weiteres Drittel setzt sogar Wanzen und Spitzel ein. Alles ist möglich. Und das soll ein Rechtsstaat mit fairem politischem Wettbewerb sein?
Nach wie vor gilt: Ein Verfassungsschutz, der bei der (Früh-)Erkennung terroristischer Tendenzen versagt und sich stattdessen parteipolitisch instrumentalisieren lässt, hat keine Existenzberechtigung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“