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Kommentar Berlusconis NiederlageDie Kofferträger mucken auf

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Premier Letta bleibt – weil das Parteipersonal den Ego-Volten Berlusconis nicht mehr folgen wollte. Doch seine Art Populismus wird sich in der Politik halten.

Nach der Palastrevolte geht's zurück in die Villa: Silvio Berlusconi. Bild: reuters

E s war ein schwarzer Mittwoch für Silvio Berlusconi, ein Tag, der ihm die bisher herbste Niederlage in seiner nunmehr zwanzigjährigen Laufbahn als Politiker bescherte. Eine einfache Rechnung hatte der Chef der italienischen Rechten vor der Vertrauensabstimmung über die Regierung Enrico Lettas aufgemacht: Ohne seine Senatoren hätte die bisherige Koalition keine Mehrheit mehr im Senat; schnelle Neuwahlen, die er zum Referendum für sich und gegen die Justiz machen wollte, sollten die Folge sein.

Stattdessen geht es weiter mit Letta, als sei gar nichts passiert, als habe es den Krach in der Koalition, die Rücktrittsdrohung aller Berlusconi-Parlamentarier, die Demission seiner Minister gar nicht gegeben. Ausgerechnet Berlusconi selbst war am Ende einer der ersten, die im Senat nach vorne schritten, um deutlich vernehmbar Letta das Vertrauen auszusprechen.

Es war ein Akt der Unterwerfung, wie ihn noch am Vorabend niemand für möglich gehalten hätte – ein Akt der beinahe bedingungslosen Kapitulation, das Eingeständnis einer bisher nie dagewesenen und vor allem in ihrer Qualität völlig neuen Niederlage.

Denn Schlappen hatte Berlusconi auch vorher schon immer mal wieder hinnehmen müssen, im Dezember 1994, als ihn sein damaliger Koalitionspartner, die Lega Nord, im Stich ließ, im Jahr 1996, als die Wahlen gegen Romano Prodi verloren gingen genauso wie zehn Jahre später wieder, dann im Jahr 2010, als seine damalige Regierung nach dem Bruch mit dem Alliierten Gianfranco Fini am Abgrund stand, und im November 2011, als die Euro-Krise sein Kabinett hinwegfegte.

Jedesmal schien der Mann erledigt, jedesmal kam er wieder. Ihm half, dass er über eine nibelungentreue Partei verfügte, in der die Parlamentarier, die Parteigranden vor allem darum wetteiferten, wer der servilste Diener des absoluten Herrschers Silvio war. Auch in den trüben Zeiten der Opposition, auch in den bitteren Momenten der Niederlage wusste Berlusconi: Auf dieses Personal ist Verlass.

Und einer der Verlässlichsten war Angelino Alfano, heute unter Letta Innenminister, zugleich aber auch Sekretär der Berlusconi-Partei Popolo della Libertà. Als Kofferträger schätzte Berlusconi ihn sehr – mehr aber auch nicht. Vor einem Jahr spottete er über Alfano, dem fehle das „gewisse Etwas“, das einen politischen Anführer auszeichne.

Der Berlusconismus ist keineswegs erledigt

Doch ausgerechnet dieser servile Kofferträger, der bisher nie durch einen eigenen Gedanken aufgefallen war, zettelte nun die Palastrevolte an, die Berlusconi zum demütigenden Rückzug in der Vertrauensabstimmung zwang. Dies ist die neue Qualität des Waterloos, das Berlusconi jetzt erlitt: Es wurde ihm aus den Reihen seiner eigenen Partei heraus beschert.

Nie zuvor hatte Berlusconi sich von Dissidenten in den eigenen Reihen die Linie diktieren lassen, diesmal aber votierte er so, wie Alfano wollte – und damit praktisch gegen sich selbst, gegen jenen radikalen Konfrontationskurs, den er vor zwei Monaten nach seiner Verurteilung eingeschlagen hatte.

Berlusconi wird sich so nicht retten, und auch die Spaltung seiner Partei ist mit seinem Einknicken nicht abgewendet. Doch der Berlusconismus ist damit keineswegs erledigt. Immer wieder zeigten Italiens konservative Wähler, dass sie an einer „sauberen“, seriösen Rechten nicht sonderlich interessiert sind, dass ihnen der populistische Kurs Berlusconis weit mehr behagt. Zuletzt musste das Mario Monti spüren, der in den Wahlen vom Februar 2013 eine herbe Niederlage kassierte.

Ob nun eine „neue“ Rechte, deren Personal zu einem Gutteil von erst in letzter Minute abtrünnig gewordenen Berlusconi-Klonen gestellt wird, mehr Erfolg hat, darf als zweifelhaft gelten. Silvio selbst ist wohl erledigt, doch der Kampf geht weiter: unter seiner Tochter Marina.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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4 Kommentare

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  • R
    Reiner

    Wir müssen lernen, den europäischen spätkapitalistischen quandtschen, berlusconischen und merkelschen Sausstall der Finanz- und Monopolbourgeoisie nachhaltig und dauerhaft zu beseitigen! - auch ohne die ZuhälterInnen aus den bürgerlichen Parteien und Medien der immer noch herrschenden Bourgeoisie und Aktionäre! -

     

    Den europäischen Saustall, - den Kapitalfaschismus -, dauerhaft überwinden und beseitigen!

  • K
    KOOFmichAUCHheute

    die abgefallenen jünger denken zuerst an ihr eigenes wirtschaftliches dasein und überleben .

     

    dieses wäre bei neuwahlen sicherlich hochgradig gefährdet

     

    mit einschüchterungen und drohungen haben vor schlapp 10 jahren auch schröder und müntefering einem teil ihrer SPD- MDBs die zustimmung zur agenda 2010 abgepreßt

     

    die wolllten ja schließlich durch ihre SPD unterbezirke wieder aufgestellt werden

  • R
    Reiner

    Ungeschminkt: Den europäisch-italienischen kapitalistischen Saustall ausmisten!

     

    Das unendliche bürgerliche Parteien-, Regierungs- und Parlamentsdrama zeigt an, wie verrottet die bourgeoise Gesellschaftsordnung in Italien ist.

     

    Es bedarf auch in Italien der Beseitigung der bestehenden Gesellschaftsordnung durch die werktätige (und arbeitslose) Jugend, wenn die Erwachenenbevölkerung unfähig ist, diesen überfälligen emanzipatorischen Umsturz vorzunehmen.

     

    Keine Angst vor der NATO und der verkommenen Administration der Europäischen Union -- der europäischen Finanz- und Monopolbourgeoisie. Den Saustall ausmisten und die ökonomische und politische Macht übernehmen. Die Mafia und Berlusconis enteignen und auf ein deutsch-analoges 'Hartz-IV' in Italien setzen! -

     

    In Deutschland müssten die Siemens, Boschs und Quandts noch folgen! Nur hier, bei den deutschen Michels, dauert es etwas länger, bis der Stein ins rollen kommt - oder?

     

    Aufwachen, italienische und deutsche Michels! (?)

  • Vielleicht erst mal gut fuer Italien. Keine Kunst gegen das Volk! Das weiss er aus der Renaissance.