Kommentar Berlinale: Wirklich schlimme Menschen
Wer das Wettbewerbsprogramm verfolgt, braucht starke Nerven. Bei "Gardens of the Night" musste ich passen.
Wer das Wettbewerbsprogramm verfolgt, braucht starke Nerven. Der erste Belastungstest ist "Musta Jää" ("Schwarzes Eis"), ein überkonstruiertes Ehedrama aus Finnland. In einer Szene popelt die betrogene Ehefrau, eine Gynäkologin, in der Vagina der schlafenden Geliebten. Sie will feststellen, ob die Geliebte ein Kind von ihrem Ehemann erwartet. Als die Schlafende aufwacht, heuchelt die Ehefrau lesbisches Begehren und setzt zu einem verlogenen Kuss an. Nicht schön.
Der zweite Belastungstest heißt "Zou You" ("Wir glauben an die Liebe"), kommt aus China und handelt davon, wie die mittlerweile geschiedenen Eltern eines an Leukämie erkrankten Kindes versuchen, ein weiteres Kind zu zeugen, weil sie einen Knochenmarkspender für das kranke Kind brauchen. Auch nicht schön, aber zu verkraften - bis "Julia" von Eric Zonca kommt. Tilda Swinton gibt darin die Alkoholikerin Julia, die ein Kind entführt, sich dabei nach Mexiko verirrt und es dort mit wirklich bösen Menschen zu tun bekommt. Was immer sich an Überdruck in einem Film anstauen kann, in "Julia" staut es sich an. Unentwegt wird geschrien und geschimpft, das Kind wird mit Pistolen, mit Fesseln und mit Knebeln malträtiert. Wenn ein Schuss fällt, sieht man im Close-up, wie Blut und Hirn langsam die Wand herabrinnen. Im Exploitation-Kino wäre das prima, hier ist es bitterernst gemeint.
Im Anschluss läuft "Gardens of the Night" von Damian Harris. Noch ein Film mit entführten Kindern, diesmal werden sie vergewaltigt. Meine Nerven sind dafür zu schwach. Ich passe.
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