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Kommentar Berlin-TourismusAusverkauf ist schlecht fürs Image

Kommentar von Juliane Schumacher

Der Senat freut sich über den Tourismusboom - und untergräbt gleichzeitig das Image der kreativ-alternativen Metropole, das ihn befördert.

S kurril ist es schon: Da legt das Land die neuen Tourismuszahlen vor und freut sich, zu welchem Boom das Image der kreativ-alternativen Metropole beiträgt. Gleichzeitig warnt die landeseigene Tourismusagentur davor, zu viel über das Clubsterben zu berichten - es könnte das Image beschädigen.

Was das heißt? Selbst den Verantwortlichen dämmert, wie widersprüchlich ihre Politik ist: Sie wissen, wie sehr die Anziehungskraft Berlins von der - auch alternativen - Kulturszene lebt, und untergraben sie doch selbst: sei es durch den Ausverkauf landeseigener Grundstücke, die einen Gestaltungsspielraum lassen würden, durch Nichthandeln wie bei den bedrohten Projekten Tacheles und Schokoladen, aber auch indem sie darauf verzichten, eine breite Diskussion anzustoßen, wo Berlin eigentlich hinsoll. Die ist aber überfällig: Schließlich haben sich die Voraussetzungen für die auf einmal wieder wachsende und sich sozial im Umbruch befindende Stadt in den letzten Jahren stark gewandelt.

Platz für viele Subkulturen

Da ist es weniger ein Problem, dass die Wirtschaftssenatorin mehr Geschäftsreisende anlocken will. Berlin hat Raum für viele Subkulturen. Nur darf diese Politik nicht auf Kosten derer gehen, die hier leben und der Stadt erst zum aktuellen Aufschwung verholfen haben. Jenseits davon, von der Marke Berlin zu schwärmen, sind jetzt von der Politik Taten gefragt, um Berlin die Freiräume zu erhalten, die es braucht, um Berlin zu bleiben. Gut, dass das zumindest bei manchen Politikern - wie dem Bürgermeister von Mitte - inzwischen angekommen ist.

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Autorin
Freie Journalistin. Schreibt zu Lateinamerika und der arabischen Welt, Ökologie und globaler Wirtschaft.
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6 Kommentare

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  • S
    suswe

    Bald gibt es nur noch Starbucks, Edelpizzerien und Bubbletea, dann hat sich das mit den Touristenhorden erledigt.

  • EA
    Enzo Aduro

    @yberg

     

    Dito.

     

    Wenn man es mit sozialverträglichen Arbeitsplätzen ernsthaft meint, dann kann man nicht auf die "Enttäuschte Jugend" in Madrid, Rom und Athen setzen. So hart es klingt, aber es gibt eine Verbindung zwischen der Kundschaft derjenigen die ein Mercedes kaufen, das was die Mitarbeiter in Stuttgart verdienen und dem Lebensstandart dort. Eben gleiches gilt für Dacia-Kunden, und dem Lebensstandard in Rumänien.

     

    Wenn die Mitarbeiter in den Hotels einigermaßen gut verdienen wollen, dann müssen wir diese Backpackerwelle loswerden.

     

    Daher heißt linke Politik: Arme Touristen sollen draußen bleiben, damit unsere Beschäftigten in der Tourismusindustrie nicht Arm sein müssen.

     

    Leider hat der neue Senat die Bettensteuer als Prozentsatz erhoben, nicht als fixen Betrag, wie geplant. Das hätte genau die Prioritätensetzung gebracht.

  • EA
    Enzo Aduro

    Aber wenn man die ganzen "anarchischen" Kulturprojekte staatlich institutionalisiert, dann ist deren Anziehungscharackter auch dahin. "Alternativkultur" kann kaum neben Staatsopern von Kultursenator mitorganisiert werden.

     

    Soll am ende gar eine Verbeamtung der Mitarbeiter vom "Tacheles" stehen??

  • X
    xonra

    Was sollen denn "Geschäftsreisende" in Berlin anfangen, etwa shoppen gehen? Wer die Freiräume zerstört, zerstört auch die innovative Szene in der Stadt. Die Senatorin für Wirtschaft ist leider nicht die einzige Fehlbesetzung. Die Stadt der Zukunft wird ganz sicher nicht durch die Ansiedlung der Industrien von Gestern entstehen.

  • Y
    yberg

    unter der fahne alternativkultur wollen zwischenzeitlich auch die angesagtesten und teuren clubs segeln,die jugendkultur zum geschäftsmodell gemacht haben,gesichtskontrollen veranstalten,eintritt verlangen und getränkepreise haben,die dem einkaufspreis hohn sprechen.

     

    doch treffen die clubeigner auf marktmechanismen und auf die üblichen sozialstandards für beschäftigte und auf steuerregelungen oder auf regelungen zum konfliktfreien zusammenleben ,wird zu schnell lamentiert und dreist politische unterstützung gegen regeln des wirtschaftsbetriebs und des zusammenlebens sowie warum auch immer welpenschutz für ihre unternehmene eingefordert.

     

    auch die clubbetreiber,eigentümer und ihre besucher könnten sich mal gedanken machen,weshalb die mit über 70 milliarden direkter und indirekter schulden,zusätzlich noch die eine und andere milliarde für pensionsverpflichtungen ,die gerne unterschlagen werden,verschuldete stadt eigentum verkooft und niemand hält die verkaufskritiker davon ab ,alternative vorschläge zur stadtfinanzierung zu unterbreiten die nachhaltig greifen.

     

    im übrigen hätt ich mal gerne einnahmen und auisgaben von senatens vorgerechnet bekommen einschließlich steuerlicher abschreibung auf beherbergungsbetriebe,subventionen,unterhalt von sehenswürdigkeiten und und und

     

    die 1000 euro umsatz pro tag eines ärztekongressbesuchers kann doch nicht die meßlatte sein für die horden ausländischer prekarierten,die lauthals bierflaschen bewehrt bis zum frühen morgen durch die innenstadt strolchen.

     

    "das muß man doch noch sagen dürfen" lamentiert das verschnupfte volksempfinden...

  • GF
    Gentri Fizierung

    Naja, vom Bpürgermeister in Mitte will ich auch erstmal viele richtige Taten sehen, bevor ich mich begeistern kann.

     

    Fakt ist: CDU, SPD, FDP Linke und Grüne unterscheiden sich in Berlin nicht (da, wo sie jeweils mitregieren) in ihrer Zerstörung von Stadtnatur und dem Ausverkauf von Freiräumen.

    Höchstens in Friedrichshain-Kreuzberg wird manchmal ein bischen was erhalten. Aber für eine grüne Partei ist das bisschen lächerlich, was sie an Alternativkultur und Stasdtnatur fördern. Auch in diesem Bezirk gibt es eine große Unzufriedenheit mit der Entwicklung.