Kommentar Bericht über Haasenburg: Nichts als Propaganda
In einer Geschichte über die Haasenburg und ihren Rechtstreit betet eine Zeitung krude Argumentationen der Anwälte der Firma nach. Job verfehlt.
I m Rechtsstreit über die Schließung der Jugendheime der Haasenburg GmbH in Brandenburg will das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg dem Betreiber und dem Brandenburger Jugendministerium einen Vergleich anbieten. Das ist befremdlich, denn zuvor hatte das Verwaltungsgericht Cottbus in der Sache Backpfeifen verpasst, die den pädagogischen Ansätzen der Firma würdig gewesen wären.
Es klatschte nur so: Die Richter stützten sich auf empirische Befunde der Expertenkommission. Einen Bericht, sachlich und detailreich-schaurig, öffentlich abrufbar.
Nun präsentiert der Berliner Tagesspiegel eine Geschichte, wonach es vor dem Oberverwaltungsgericht für das Bildungsministerium „schlecht aussieht“, weil die Expertenkommission eine Schließung der Heime eben nicht ausdrücklich empfohlen habe. Neue Beweise, die etwa an der Objektivität der Sachverständigen kratzen? Nichts davon.
Stattdessen unterstellt der Bericht, die zuständige Ministerin habe nicht zum Wohl der Kinder entschieden. Sie habe nur dem politischen Druck nachgegeben. Womöglich ist da was dran. Neu sind diese Mutmaßungen nicht. Vor allem ignoriert der Artikel die empirische Erhebung zu der Skandalfirma. Kurz: Die Zeitung betet die krude Argumentation der Haasenburg-Anwälte nur nach.
Als Quelle nennt das Blatt „dieser Zeitung vorliegende Prozessunterlagen“. Und das sind? Schriftsätze der Anwälte der Haasenburg GmbH. Moderne Kanzleien bedienen sich heute der Litigation-PR. Euphemistisch ausgedrückt: „Öffentlichkeitsarbeit im Rechtsstreit“. Es wird versucht, Artikel zu lancieren, die das juristische Ziel journalistisch unterfüttern. Klar formuliert: Propaganda.
Am besten funktioniert sie, wenn sie auch ausgewogen wirkt. In allen Fällen fußt sie aber darauf, dass Journalisten ihren Job nicht machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend