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Kommentar Bericht über HaasenburgNichts als Propaganda

Kommentar von Kai Schlieter

In einer Geschichte über die Haasenburg und ihren Rechtstreit betet eine Zeitung krude Argumentationen der Anwälte der Firma nach. Job verfehlt.

Den Vergleich, den das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anbieten will, ist befremdlich. Bild: imago/Müller-Stauffenberg

I m Rechtsstreit über die Schließung der Jugendheime der Haasenburg GmbH in Brandenburg will das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg dem Betreiber und dem Brandenburger Jugendministerium einen Vergleich anbieten. Das ist befremdlich, denn zuvor hatte das Verwaltungsgericht Cottbus in der Sache Backpfeifen verpasst, die den pädagogischen Ansätzen der Firma würdig gewesen wären.

Es klatschte nur so: Die Richter stützten sich auf empirische Befunde der Expertenkommission. Einen Bericht, sachlich und detailreich-schaurig, öffentlich abrufbar.

Nun präsentiert der Berliner Tagesspiegel eine Geschichte, wonach es vor dem Oberverwaltungsgericht für das Bildungsministerium „schlecht aussieht“, weil die Expertenkommission eine Schließung der Heime eben nicht ausdrücklich empfohlen habe. Neue Beweise, die etwa an der Objektivität der Sachverständigen kratzen? Nichts davon.

Stattdessen unterstellt der Bericht, die zuständige Ministerin habe nicht zum Wohl der Kinder entschieden. Sie habe nur dem politischen Druck nachgegeben. Womöglich ist da was dran. Neu sind diese Mutmaßungen nicht. Vor allem ignoriert der Artikel die empirische Erhebung zu der Skandalfirma. Kurz: Die Zeitung betet die krude Argumentation der Haasenburg-Anwälte nur nach.

Als Quelle nennt das Blatt „dieser Zeitung vorliegende Prozessunterlagen“. Und das sind? Schriftsätze der Anwälte der Haasenburg GmbH. Moderne Kanzleien bedienen sich heute der Litigation-PR. Euphemistisch ausgedrückt: „Öffentlichkeitsarbeit im Rechtsstreit“. Es wird versucht, Artikel zu lancieren, die das juristische Ziel journalistisch unterfüttern. Klar formuliert: Propaganda.

Am besten funktioniert sie, wenn sie auch ausgewogen wirkt. In allen Fällen fußt sie aber darauf, dass Journalisten ihren Job nicht machen.

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Reportage & Recherche
Seit 2008 bei der taz. Von 2012 bis März 2017 leitete er das von ihm gegründete Ressort Reportage & Recherche. Danach Wechsel zur Berliner Zeitung / Berliner Kurier. 2015 erschien sein Buch "Die Herrschaftsformel. Wie Künstliche Intelligenz uns berechnet, steuert und unser Leben verändert". 2011 erschien sein Buch "Knastreport. Das Leben der Weggesperrten".
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3 Kommentare

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  • @Schmidt

    Haha, das Gleiche gilt dann aber auch für die taz, selbst wenn sie glaubt, immer alles besser zu wissen und immer Recht zu haben! Übrigens macht das Zitieren von Gesetzesteilen wenig Sinn, wenn das Gesetz nicht benannt wird. Hier handelt es sich um das Strafgesetzbuch, abgekürzt StGB.

  • @Schmidt: Deine Argumentation ist überwältigend. :)

  • Als Quelle nennt das Blatt „dieser Zeitung vorliegende Prozessunterlagen“, daher sollte mal geprüft werden, ob hier eine Straftat vorliegen könnte:

     

    § 353d

    Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen

     

    Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

    1. ...,

    2. ...,

    3. die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.