Kommentar Ban Ki Moon in Sotschi: Zwei couragierte Sätze
Er hätte einfach nur den Gepflogenheiten entsprechend schöne Spiele wünschen können. Doch Ban Ki Moon nutzte die Gelegenheit in Sotschi klare Worte zu finden.
S ein Job ist gewöhnlich, sich nur sehr begrenzt mit irgendwelchen Staaten anzulegen – am besten ist für seine Arbeit immer, dass die Big Player, zu denen alles in allem auch Russland noch gehört, mit ihm zufrieden sind. Für einen wie ihn, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, heißt das in gewisser Weise: Allen wohl und niemand weh tun. Im Zweifelsfall muss er eine gute Figur abgeben und die Vereinten Nationen repräsentieren.
Und doch sagte er gestern auf der 135. Generalversammlung des Internationalen Olympischen Komitees in Sotschi: „Wir alle müssen unsere Stimme erheben gegen Attacken gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Menschen. Wir müssen uns gegen die Verhaftungen, Gefängnisstrafen und diskriminierenden Einschränkungen wehren, die ihnen drohen." Das sind zwei Sätze, die in jeder Hinsicht bemerkenswert sind.
Klar, es ist selbstverständlich, dass Homosexuelle, Trans*-Menschen und all die anderen, die nicht den Geboten der bekennenden Heterosexualität folgen, nicht verfolgt, geschlagen, diskriminiert und unanständig behandelt werden. Aber nur in den meisten westlichen Ländern. Die meisten Länder der UN würden diese Aussage nicht unterzeichnen. In manchen Staaten steht auf gelebtes Schwulsein die Todesstrafe.
Und in Russland ist voriges Jahr ein Gesetz verabschiedet worden, dass freundliches, interessiertes Sprechen über Homosexuelles verbietet. Russlands „Queers“ sind die Parias einer Nation, die sich modern gibt und außerdem glaubt, die Modernität sei mit Bekenntnissen zur sogenannt „traditionellen Lebensweise“ (Mann-Frau-Kind und Sex mit Fortpflanzungszweck) zu haben.
Des UN-Generalsekretärs Worte repräsentieren keine Privatmeinung, keine persönliche Grille, bekundet auf irgendeinem diplomatischen Empfang. Er sagte dies auf der IOC-Versammlung – und diese Passage ging medial durch alle Welt. Das ist prima, das ist wunderbar – und dass der Koreaner seine Äußerung in Russland tat, sozusagen dem Gastgeber mitten ins Gesicht, verdient nur das Prädikat: couragiert und cool.
Er hätte sich mit Üblichem bescheiden können: Dass Russland ein Supergastgeber sei. Und so weiter und so fort – ganz öde und erwartbar. Ban Ki-Moon hat den Comment von diplomatischem Takt und Ton verletzt. Gut so!
Schade, dass kein deutscher Spitzenfunktionär des Sports, etwa Michael Vesper, Generaldirektor des „Deutschen Olympischen Sport Bund“, zu solcher Deutlichkeit sich nie durchringen wollte. Es hätte keinen Sportler, keine Sportlerin vor den Wettkämpfen beeinträchtigt: Es wäre nur eine Geste gewesen. Eine, wofür ein rechtsstaatliches Land wie die Bundesrepublik steht. Für die Wertschätzung auch queerer Lebensweisen.
Er hat es nicht getan. Deprimierend, das!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste