Kommentar Bahn-Katastrophe in Bayern: Das verstörende Zugunglück
Es muss aufgeklärt werden, warum das Sicherungssystem versagt hat. Bahnfahrer sollten sich dennoch nicht verunsichern lassen.
Es ist die Horrorvorstellung aller Bahnreisenden: Zwei Züge rasen ungebremst aufeinander zu, es kommt zum Frontalzusammenstoß und dutzende Menschen sind tot oder schwer verletzt. Das darf nicht passieren – und dennoch geschieht es. So wie jetzt in Bayern, wo es im Berufsverkehr am Faschingsdienstag zur Katastrophe kam.
Besonders verstörend ist dabei, dass die eingleisige Strecke mit einem eigentlich robusten Sicherungssystem ausgestattet war. Es soll verhindern, dass einfache technische oder menschliche Fehler solche Folgen haben. Warum die Sicherungen versagt haben, müssen nun die amtlichen Untersuchungen aufklären.
Das sind die Verantwortlichen nicht nur den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, sondern allen Zugreisenden und Bahnmitarbeitern. Sie erwarten zu Recht, dass sich gravierende Fehler nicht wiederholen und das Sicherungssystem verbessert wird.
Fakt ist aber auch, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht geben wird. Selbst wenn einzelne Fehlerquellen ausgeschlossen werden, kann es passieren, dass eine normalerweise unwahrscheinliche Kombination von menschlichen und technischen Fehlern doch zu einem Unfall führt.
Todesrisiko 63-mal so hoch im Auto
Möglicherweise ist das auch ein Erklärungsansatz für den aktuellen Fall. Sicher ist bisher lediglich: Wären sich die beteiligten Züge nicht in einer uneinsehbaren Kurve begegnet, hätten die Lokführer sich sehen und bremsen können – und so die Folgen der Kollision geschmälert.
Bei aller Trauer um die Opfer des Unglücks in Bayern sollte aber nicht vergessen werden, dass die Bahn im Vergleich zum Auto, Fahrrad oder Bus ein sehr sicheres Verkehrsmittel bleibt.
Im Elfjahresdurchschnitt von 2004 bis 2014 war in Deutschland das Todesrisiko für Insassen eines Autos 63 Mal höher als für Bahnreisende. Daher ist die allzu menschliche Wahrnehmung, dass ein großer Unfall schlimmer wirkt als Hunderte vergleichsweise kleine, trügerisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen