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Kommentar AusweisungsschutzKein Urteil gegen Türken

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Deutschland geht nach wie vor davon aus, dass man hier aufgewachsene Menschen in ein fremdes "Heimatland" ausweisen kann. Das ist der wirkliche Skandal.

D er Europäische Gerichtshof (EuGH) ist immer wieder für Überraschungen gut. Lange Zeit überraschte er die europäische Öffentlichkeit mit Urteilen, die Türken EU-Bürgern gleichstellte, etwa beim Schutz vor Ausweisungen. Er stützte dies auf ein Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Türkei.

Doch jetzt, als sich die Öffentlichkeit langsam an eine weitgehende Gleichstellung von Türken und EU-Bürgern gewöhnt hat, überrascht der EuGH mit gegenläufigem Vorzeichen. Nun begründet das EU-Gericht, warum Europäer einen besseren Schutz vor Ausweisung erhalten.

Festzuhalten ist zunächst zweierlei: Das Urteil bedeutet keine Verschlechterung für Türken. Ihnen wird nur nicht der jüngste verbesserte Ausweisungsschutz für EU-Bürger zuteil. Außerdem ist das Urteil nicht türkenfeindlich. Es betont nur den besonderen Wert der Unionsbürgerschaft, die der EuGH in anderen Urteilen schon sehr weitgehend ausgelegt hat - mittelbar auch zugunsten von Ausländern.

Bild: taz
Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

So erhielten illegale Ausländer ein Aufenthaltsrecht, weil ihr in Belgien gezeugtes Kind automatisch eine EU-Bürgerschaft innehatte und diese nicht durch Abschiebung der Eltern entwertet werden darf. Auch das war eine Überraschung.

Der Skandal im aktuellen Fall ist also nicht das EuGH-Urteil, sondern das deutsche Ausländerrecht. Dieses geht nach wie vor davon aus, dass man hier geborene und aufgewachsene Menschen, wenn sie straffällig wurden, in ein fremdes "Heimatland" ausweisen kann. Mit anderen Worten: verbannen.

Immerhin deutet sich im konkreten Fall ein Happy End an. Weil der betroffene Deutschtürke inzwischen Drogen und Kriminalität gegen Ehe und Arbeit eingetauscht hat, dürfte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim seine Ausweisung alsbald wieder aufheben.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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9 Kommentare

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  • A
    antiantiantianti

    Sehr geehrter Herr Rath,

     

    schade dass sie nicht die Möglichkeit genutzt haben Stellung zu beziehen, dadurch rutscht ihr Kommentar auf das Niveau von Polemik.

     

    Versuchen sie es einfach mal!

  • R
    Roman

    @Caro:

     

    Die Realität ist erstmal die, dass man für die Entscheidungen die man aktiv oder passiv trifft, die Folgen zu tragen hat. Wenn Menschen sich hier als Menschen zweiter Klasse fühlen und deswegen lieber die alte Staatsangehörigkeit behalten, statt die deutsche anzunehmen, so ist es natürlich eine Ansicht, die von der Gesellschaft berücksichtigt werden sollte. Allerdings ist der Vorwurf deswegen noch lange nicht automatisch als Urteil in letzter Instanz anzunehmen und schon gar nicht ein Argument für die Gewährung von mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Rechten, ohne die Übertragung der mit ihr verbundenen Pflichten.

     

    Es ist auch kein Menschenrecht, überall dort auf der Welt leben zu dürfen, wo man es möchte. Die Staatsbürgerschaft ist von Nöten. Da braucht man keine Forderung nach ethnischer Homogenität. Die Forderung nach der Annahme der staatsbürgerlichen Homogenität und der damit verbundenen Rechte und Pflichten genügt vollkommen und ist aus der Sicht der Gesellschaft durchaus legitim. An dem Punkt kann man natürlich kritisieren, dass nicht jeder eine Möglichkeit hat, die Staatsbürgerschaft zu bekommen. Bei dem im Artikel besprochenen Thema spielt diese Kritik allerdings keine Rolle. Die Menschen wollten aus welchen Gründen auch immer die deutsche Staatsbürgerschaft nicht haben, bzw. die dafür benötigten, nicht zu hohen, Hürden überwinden. Damit nahmen sie geringere Rechte in Kauf. Und zu diesen geringeren Rechten gehört die Möglichkeit der Abschiebung, bei Verstössen gegen das Gesetz. Und wir sind hier nicht einmal in der Schweiz, wo eine automatische Abschiebung vorgesehen ist. Es ist nach wie vor eine Möglichkeit, die meist erst nach einer längeren Verbrecherlaufbahn gezogen wird.

     

    Zu den "Gefühlen": Wenn es die türkische Identität und Kultur gibt, um die auch die taz ja immer so bemüht ist, sie vor Anfeindungen und der Verletzung ihrer Gefühle zu schützen, so wird es auch eine deutsche Identität und Kultur geben, bzw. Menschen, die sich als Deutsche fühlen. Ein Teil dieser Menschen dürfte nicht sonderlich begeistert sein, in ihrem Land, Menschen dulden zu müssen, die nicht gänzlich dazugehören wollen, aber auch nicht ein Mindestmass an Regeln einhalten wollen. Aus der Ablehnung einer unbedingten Duldung, einen "Skandal", also den Vorwurf einer moralischen Verwerflichkeit, auf Seiten der deutschen Gesellschaft, konstruieren zu wollen, ist eine Beleidigung. Aber selbst wenn einen die Gefühle der Deutschen nicht interessieren, so dürften die Reaktionen, die aus solchen angeblichen oder tatsächlichen Verletzungen, entstehen, schon von Interesse sein. Von den Reaktionen werden dann gerade die normalen Migranten betroffen sein, schon allein deswegen, weil Menschen sich eher schwächere Ziele suchen. Den durchtrainierten Schwerkriminellen wird kaum einer beleidigen oder gar verprügeln.

  • T
    tommy

    Habe gestern schon einen Kommentar verfasst, der aber anscheinend nicht veröffentlicht wurde, deshalb zweiter Versuch:

    Sicher gilt es, je nach Einzelfall abzuwägen und falls der im Artikel genannte Mann sich wirklich gebessert hat, sollte er wohl nicht abgeschoben werden. Aber rein pragmatisch gesehen muss man doch sagen, dass die jetzige Rechtslage eine tolle Möglichkeit bietet, Straftäter dauerhaft aus Deutschland zu entfernen. Das kommt allen in Deutschland lebenden Menschen zugute - auch den rechtschaffenden Migranten/Migrationshintergrundlern.

    Außerdem verstehe ich nicht, wieso die taz immer die Seite von Kriminellen ergreift, wenn diese einen Migrationshintergrund haben. Ihr schadet damit auch den Interessen unbescholtener Migranten, da ihr den Eindruck erweckt, Kriminalität sei bei Migranten normal und deshalb könnten migrantische Täter auch nicht zur Rechenschaft für ihre Verbrechen gezogen werden.

  • A
    antiantiantianti

    Sehr geehrter Herr Rath,

     

    vor 2 Tagen wurde ein Australier der in Thailand geboren wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er über den König gelästert hatte. Seine australische Staatsbürgerschaft half ihm nicht, weil das Gericht davon ausging dass er aufgrund seiner Geburt und Erziehung mit den Sitten und Gebräuchen des Landes vertraut war. Nehmen sie dazu Stellung.

    Nehmen sie bitte desweiteren dazu Stellung, ob nur Straftäter das Recht auf Unversehrtheit haben.

    Und dann nehmen sie bitte dazu Stellung was für eine Auffassung sie von den Aufgaben der Justiz haben. Soll sie eine abschreckende Wirkung oder lediglich eine Verhandlung im Sinne von Auge um Auge haben?

     

    Habe mir nach der Umfrage hier bei der TAZ gedacht sie können einfach mal teilnehmen an den Kommentaren und sich dazu äußern.

    Mit freundlichen Grüßen

  • C
    Caro

    1. Kommentar: Von was für "Gefühlen" welcher "deutschen Bevölkerung" sprechen Sie eigentlich? Meinen Sie deutschen Volks-Stolz? Den Kommentar von Rath verstehe ich so, dass er die Vorstellung homogener Volksnationen (und das damit verbundene Wunschdenken, bis vor - was weiß ich, 100 Jahren oder so - wäre Deutschland noch nur den Deutschen gewesen und "Deutschland war schön bevor die Ausländer kamen" etc.) zeitgemäß über Bord geworfen hat und der Realität ins Auge sieht: Es gibt sehr viele Migranten in Deutschland. In einem Land, dessen "Volk" andauernd mit "Menschenrechten" argumentiert, sollten Sie nicht so hohle Argumente anführen wie: Wenn die Leute die oder die Staatsangehörigkeit haben, haben sie halt Pech gehabt, sie wollen es ja offenbar nicht anders, als abgeschoben zu werden! Es gibt sicherlich auch türkische Nationalisten, die ihre türkische Staatsangehörigkeit aus "Heimatverbundeheit" behalten, aber persönliche Motive für A (türkische oder außer-EU Staatsangehörigkeit) sind nicht im Gesetz aufgeführt und sollten deswegen auch keinem ranking unterzogen werden, um Punkt B (Abschiebung o.ä.) zu legitimieren. Denn: es gibt auch Menschen, die ihre nicht-deutsche Staatsang. behalten, weil sie auch ohne unmittelbare Bedrohung durch Abschiebung merken, dass sie in Deutschland als Menschen 2. Klasse angesehen werden.

  • S
    Sandra

    Deutschland ist halt immer noch dem Ius Sanguinis und damit dem Preussentum des 19. Jhdt. verpflichtet. Man sollte Staatsangehörigkeiten nicht wichtiger nehmen als eine Vereinsmitgliedschaft.

  • B
    broxx

    @ Kati

    "Was also wollen Sie?"

     

    ...beleidigt sein...

  • K
    Kati

    Die Überschrift ist reine Volksverdummung. Die Türkei ist kein EU-Mitglied. Was also wollen Sie? Deshalb ist niemand "gegen Türken".

  • R
    Roman

    Ist zwar alles sehr schön, aber die Staatsbürgerschaft hat halt eine gewisse Bedeutung und es ist nicht gerade so, als wäre sie für einen in Deutschland geborenen Menschen mit türkischem Pass, sonderlich schwer zu erwerben. Wenn man meint es nicht tun zu müssen, oder zu wollen, weil man sich trotz Geburt in der Bundesrepublik, als Türke fühlt und dies auch im Ausweis stehen haben möchte, so hat man Nachteile in Kauf zu nehmen. Aus deutscher Sicht ist es natürlich ein willkommene Möglichkeit Problemfälle loszuwerden. In der Türkei ist man ja ohnehin der Meinung, dass Assimilation ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, es sei denn es geht um die Assimilation der Kurden selbstverständlich. Also wird man solche Fälle wahrscheinlich mit offenen Armen empfangen, sind ja Türken. Es ist ja kein Zwang zur Abschiebung, sondern eine Möglichkeit, die bei Kooperationsbereitschaft auf Seiten der Delinquenten, in eine weitere Sozialisierungsmassnahme umgewandelt werden kann. Was nicht einleuchtet sind diese automatischen Verteidigunshaltungen der Linken, wenn es um Migranten geht, ohne jegliche Rücksicht auf die Gefühle der deutschen Bevölkerung, die sich bei solchen Kommentaren veräppelt vorkommen muss.