Kommentar Außenminister Steinmeier: Verschleierte Normalität
Bei der Frage des Einsatzes zweier BND-Agenten in Bagdad geht es um die politische Glaubwürdigkeit von Außenminister Steinmeier. Um die ist es immer weniger gut bestellt.
Frank-Walter Steinmeier ist nicht gerade zu beneiden. Der Außenminister muss in der Welt umher- und damit am Wähler vorbeireisen: denn der fragt sich derzeit vor allem, ob im nächsten Jahr sein Geld reicht. Er ist Kanzlerkandidat einer Partei, für die es schon ein Erfolg sein dürfte, wenn sie bei der nächsten Wahl die zweitmeisten Stimmen holen würde. Und dann will auch noch dieses BND-Gespenst partout nicht verschwinden.
Es ist dies eigentlich Steinmeiers größtes Problem. Denn bei der Frage des Einsatzes zweier BND-Agenten in Bagdad geht es um nichts weniger als um seine politische Glaubwürdigkeit. Grundsätzlich lässt sich sagen: Um die ist es immer weniger gut bestellt.
Denn die Fakten sind eindeutig: Die Männer in Bagdad haben in der Zeit, als Steinmeier Geheimdienstkoordinator von Kanzler Schröder war, sehr wohl militärische Informationen an US-Stellen geliefert. Ob Koordinaten über irakische Gefechtsstände oder Sondergarden, Bunkerzugänge oder Militärfahrzeuge - die Angaben dürften den USA bei ihren Manövern manches Risiko und manche Verzögerung erspart haben. Das brauchen US-Generäle gar nicht zu enthüllen. Das lässt sich schon aus den Akten schließen.
Aus diesem Grund kann man schlicht nur den Kopf darüber schütteln, dass Steinmeier versucht, den Einsatz der Agenten als quasi humanitäre Geste zu verklären. Stur weigert er sich, die Ambivalenz anzuerkennen, mit der er und die Regierung Schröder vor und während des Irakkriegs handelten: einerseits Bush-Bashing bis zum Wahlsieg, andererseits enge Kooperation auf nachrichtendienstlicher Ebene.
Es ist zwar Unsinn zu behaupten, Deutschland sei deshalb direkt am Irakkrieg beteiligt gewesen. Dass die Arbeitsebene funktioniert, auch wenn zwischen Staaten politisch Eiszeit herrscht, ist schließlich nicht ungewöhnlich. Steinmeier verschleiert diese Normalität jedoch seit Jahren. Statt das historische Nein zum Irakkrieg zu retten, setzt er die Bedeutung der Entscheidung aufs Spiel. Und seine Kanzlerschaft sowieso. VEIT MEDICK
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