Kommentar Aushöhlung des Asylrechts: Keine Flüchtlinge zweiter Klasse!
Die Bundesregierung demontiert in hohem Tempo und ohne Weitsicht das Asylrecht. Ein deutliches Signal dagegen ist überfällig.
![Frauen laufen durchs Bild mit einem großen Poster mit der Aufschrift "Flüchtlinge willkommen" Frauen laufen durchs Bild mit einem großen Poster mit der Aufschrift "Flüchtlinge willkommen"](https://taz.de/picture/782718/14/20151109fluechtlingewillkommen.jpg)
D ie Zeit der Salamitaktik ist vorbei. In atemberaubendem Tempo und ohne jede Weitsicht demontiert die Bundesregierung das Asylrecht. Mal durch die Verschärfung von Gesetzen, mal durch die Neudefinition einer Flüchtlingsgruppe, wie es der jüngste Vorstoß des Bundesinnenministers will.
Vor wenigen Monaten waren die Syrer noch die guten, weil wirklich verfolgten Flüchtlinge, die vor dem Terror des „Islamischen Staates“ und vor Assad flohen. Um ihnen Schutz gewähren zu können, so die damalige Erzählung, müsse man die Einreise von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen stoppen. Die Liste der sicheren Herkunftsländer wird seitdem – mit Segen der Grünen – immer länger.
Jetzt aber sind auch die Syrer keine guten Flüchtlinge mehr. Nicht, dass sich in ihrem Herkunftsland ein Ende von Krieg und Terror abzeichnen würde. Es sind einfach zu viele, die nach Deutschland kommen. Und deshalb soll aus einem Flüchtling, der gerade noch unter dem vollen Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention stand, nun einer zweiter Klasse werden. Mit einjähriger Aufenthaltserlaubnis und ohne das Recht auf Familiennachzug. Ob dies verhindern würde, dass weitere Menschen kommen, ist höchst ungewiss. Sie müssten dies dann – statt auf sicherem Weg – mit ihren Kindern auf der gefährlichen Route über das Mittelmeer tun.
Was zunächst wie ein weiterer unglücklicher Vorstoß des ohnehin glücklosen Innenministers aussah, stößt auf breite Unterstützung in der Unionsspitze. Sie will die SPD – wenige Tage nach der letzten Verschärfung – zu einer weiteren treiben. Zu befürchten ist, dass sich die Sozialdemokraten wieder auf einen Kompromiss einlassen. Parteichef Gabriel weiß, dass auch viele SPD-Wähler eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen wollen – und damit gar nicht weit entfernt von CSU-Chef Seehofer sind.
Ohnehin sind die Stimmen, die das Asylrecht verteidigen, derzeit sehr leise. Die Grünen senden – wie die SPD – aus Angst vor der eigenen Klientel sehr unterschiedliche Signale. Immerhin haben sich gerade die Kirchen gegen Abschottung positioniert. Und die vielen Tausend, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, zeigen täglich, wie wichtig ihnen das Recht auf Asyl und der humanitäre Umgang mit Geflüchteten ist. Ein lautstarkes Signal, eine große, bundesweite Demonstration für das Asylrecht, ist überfällig.
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