Kommentar Atombeschlüsse: Röttgens Entscheidungsschlacht
Umweltminister Röttgen hat sich zu den Spielregeln einer Laufzeitverlängerung klar positioniert. Gibt er der Industrie nach, kann man ihn politisch nicht mehr ernst nehmen
Schon bisher gab es viele Gründe, die von der Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke kritisch zu sehen - sie erhöht das Risiko und die Atommüllmenge, nützt dem Klima nichts und behindert den schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien. Doch immerhin hat Umweltminister Norbert Röttgen sich bisher um den Eindruck bemüht, dass es dabei rational zugehen soll: Ein Gutachten sollte den Bedarf ermitteln, technische Nachrüstungen sollten das Risiko begrenzen, und bei der Frage, ob der Bundesrat zustimmen muss, sollte nicht getrickst, sondern genau geprüft werden.
Wie viel diese Zusagen wert sind, wird sich wohl schon in Kürze zeigen. In der Koalition wächst der Druck, schnell eine Entscheidung über die Laufzeitverlängerungen zu fällen - vielleicht schon an diesem Freitag. Die Betreiber setzen derzeit alle Hebel in Bewegung, um neue Sicherheitsanforderungen zu verhindern. Und die unionsgeführten Länder drängen darauf, den Bundesrat zu übergehen.
Malte Kreutzfeldt leitet das taz-Ressort Wirtschaft und Umwelz
Nicht nur für die Energiezukunft des Landes steht darum jetzt viel auf dem Spiel, sondern auch für Norbert Röttgen. Das Energiekonzept ist sein zentrales Projekt. Er hat sich zum Zeitplan, zur Nachrüstung und zur Einbeziehung des Bundesrats eindeutig positioniert - so eindeutig, dass er bei einem Einknicken politisch kaum mehr ernst genommen würde.
Auch die Regierung insgesamt täte sich keinen Gefallen. Denn das Kalkül, die Aufregung über die Laufzeitverlängerung werde sich bis zu den nächsten Wahlen schon gelegt haben, wird nicht aufgehen. Wenn die Laufzeiten gegen den Rat von Juristen, ohne energiepolitisches Konzept und ohne Auflage verlängert werden, wird auch dem Letzten klar, dass es dabei nur um eins geht: um Klientelpolitik für die Konzerne, die auf die Milliardengewinne aus ihren abgeschriebenen Altreaktoren nicht verzichten wollen. Der Druck aus der Bevölkerung wird dadurch nicht schwächer werden, sondern stärker.
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