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Kommentar Assange-VerhaftungWikileaks ist mehr als sein Star

Daniel Schulz
Kommentar von Daniel Schulz

Mit ihrem Anti-Terror-Kampf haben die westlichen Demokratien das Bedürfnis nach Wikileaks erst geschaffen. Würde es untergehen, träte eine ähnliche Seite an seine Stelle.

E ine Vergewaltigung ist keine Kleinigkeit. Darum ist es richtig, dass die Justiz diesem Verdacht auch im Fall von Julian Assange so hartnäckig nachgeht. Zu hoffen ist nur, dass sie auch in anderen Fällen ähnlich energisch handelt.

Niemand kann sagen, ob sich der prominenteste Kopf des Enthüllungsnetzwerks Wikileaks der sexuellen Gewalt schuldig gemacht hat oder nicht. Dass seine Webseite zugleich mit harten Bandagen bekämpft wird, lässt aber die Spekulationen blühen, zumal manche westliche Politiker fast schon von einem "Krieg" gegen Assange reden.

Nur: Gewinnen können sie ihn nicht. Denn mit dieser Haltung haben westliche Staaten ihren Konflikt mit Hackern und digitalen Aktivisten erst heraufbeschworen. Im sogenannten Kampf gegen den Terror haben die Demokratien der USA und Europas nicht nur ohne ausreichende Begründung ganze Kriege angezettelt. Sie haben auch versucht, die Freiheitsrechte und die Privatsphäre ihrer Bürger einzuschränken. Mehr Macht für den Staat, aber weniger Transparenz für den Bürger - diesen asymmetrischen Konflikt haben Staaten wie die USA selbst verschuldet - und die Notwendigkeit für eine Plattform wie Wikileaks geschaffen.

Bild: taz

Daniel Schulz leitet das Gesellschaftsressort tazzwei/Medien

Viele Netzaktivisten sahen die Anti-Terror-Gesetze als Angriff auf - eigene und gesellschaftliche - Freiräume. Auch klang der Unterschied zwischen den Rechtfertigungen der Demokratien des Westens und denen Russlands oder Chinas auf einmal gar nicht mehr so groß. Deshalb etwa wandelte sich die Bastlertruppe des Chaos Computer Clubs zu einem Bürgerrechtsverein, dem es gelang, die Vorratsdatenspeicherung zumindest zeitweise aufzuhalten.

Die neuen Anti-Terror-Befugnisse haben es erschwert, Kritik an die Öffentlichkeit zu bringen. Denn nun lässt sich viel leichter nachvollziehen, wer mit wem wann über was gesprochen hat. Egal ob diese Bedrohung mehr gefühlt als real ist - so kam das Bedürfnis nach einem vertrauenswürdigen Kanal auf. Die klassischen Medien konnten dieses Bedürfnis nicht bedienen: Weder hatten sie ein Bewusstsein für das neue Bedrohungsgefühl noch besaßen sie das technische Know-how. Wikileaks hatte beides.

Julian Assange ist der Star von Wikileaks, aber das Bedürfnis nach seiner Seite ist größer als er. Sollte Wikileaks die aktuellen Angriffe nicht überleben, werden ähnliche Seiten an deren Stelle treten. So lange, wie dafür ein Bedarf besteht.

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Daniel Schulz
Reportage und Recherche
Redakteur im Ressort Reportage und Recherche. Autor von "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin 2022) und "Ich höre keine Sirenen mehr. Krieg und Alltag in der Ukraine" (Siedler 2023). Reporterpreis 2018, Theodor-Wolff-Preis 2019, Auszeichnung zum Team des Jahres 2019 zusammen mit den besten Kolleg:innen der Welt für die Recherchen zum Hannibal-Komplex.
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15 Kommentare

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  • WH
    Walter Hempe

    Auch wenn man es immer wieder schreibt, wird es nicht richtiger.

     

    Es geht nicht um Vergewaltigung - es geht um "treit über einvernehmlichen, aber ungeschützten Geschlechtsverkehr" - das ist in Schweden strafbar.

     

    Einfach mal googeln

  • ES
    Eliana Sola Bussas

    Seit langem nicht mehr so einen guten Artikel hier gelesen ! Sehr gut !

  • RS
    Raumverbände, schnelle

    Danke für den Artikel!

  • AM
    Alice McDuff

    Hervorragender Kommentar!

  • P
    Polit-Anarcho

    Gegen die Machtarroganz und Diktatur von Regierungen, Finanzwelt und Konzernen helfen nur die gesellschaftspolitische Anarchie und das respektlose Piratenethos vieler Rebellen à la Assange. – Polit-Piraten aller Länder vereinigt euch!

  • W
    Wüterich

    Vielen Dank für den sehr guten Kommentar!

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Auch wenn Wikileaks aus dem Netz verschwindet – die Idee dahinter wird weiterleben. Im digitalen Dorf sollte ein offener Umgang mit Daten aus dem öffentlichen Raum eine Selbstverständlichkeit werden. Wikileaks kann eine Chance für unsere Demokratie sein:

    http://bit.ly/ej3mEs

  • BG
    Bernd Goldammer

    Und die seltsame Vergewaltigungsanklage verdeutlicht die juristische Glaubwürdigkeit der beteiligten Staaten. Käme er auf diese Weise in die USA wäre dies ein folgenschwerer Schlag gegen die westliche Demokratie. So etwas hatten nicht einmal die Stasi oder der KGB drauf. Angesichtes der Fakten der vorliegenden Anklage von Vergewaltigung zu schreiben, ist schon eine Art Beihilfe zur Verwirrung der Leserschaft.Was ist wirklich geschehen?

  • D
    daweed

    Seltsam, vor 2 Wochen waren wir noch alle vom Terror bedroht, weil es ja ernste Anzeichen für einen Anschlag gab.

     

    Aber keiner sagt der Misere ins Gesicht, wie scheinheilig das doch gewesen ist.

     

    Die Situation mit Wikileaks zeigt doch das die Terrorängste zu großen Teilen von Staaten initiert werden.

     

    Und Wikileaks ist ein High-Tech-Terrorist?

    Seltsam das die Webseite aber aus politischen Gründen von den USA aus angegriffen wurde...

  • S
    SabWanda

    Danke! Daniel Schulz, dem ist nichts hinzu zu fügen.

     

    !

  • H
    hmm

    wieso werden meine kommentare gelöscht? weil ich sage dass ihr endlich mal nen guten artikel verfasst habt?

    thx daniel dafür

  • T
    tystie

    Für die Oligarchen des Westens gibt es nur eine ausschlaggebende reale Bedrohung: Demokratie.

    Solange Journalisten das inhaltslose Mantra von den 'westlichen Demokratien' aber gedankenlos vor sich hinbeten, ist die Bedrohung tatsächlich nur gefühlt.

  • IV
    ich vergas...

    danke daniel :)

  • B
    Bernd

    Endlich mal ein vernünftiger Artikel zu dem Thema! Zwar finde ich die Berichterstattung der taz in den letzten Tagen bezügl. der Cables, und dem was vom Inhalt berichtet wird echt schwach.

    Warum habt Ihr nicht den Mut diese Thematik, und die UNGLAUBLICHE zensurwut der usa, des fiskus und etlichen anderen mal auf die frontpage zu bringen.

    Wie können all die Mainstreammedien das ignorieren. Ein Statement der TAZ dazu wäre toll.

  • I
    Ideentwickler

    = Ursache und Wirkung