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Kommentar AppleFaszinierend unfaszinierend

Johannes Gernert
Kommentar von Johannes Gernert

Zukunftszugewandte Menschen aus aller Welt kampieren vor Apple-Läden. Sie wollen ein wenig aufregendes Telefon erwerben – warum nur?

Vor dem Apple Store in New York: Warten auf den ganz großen Moment. Bild: dapd

J etzt winden sich also wieder Schlangen zu den Apple-Geschäften dieser Welt, als würde ein Heiland drinnen Kranke heilen. Vor dem großen Apple-Laden in New York kampierten Menschen.

Am Ende werden sie alle nur ein iPhone besitzen, das ein wenig länger ist und schneller als die vorherigen und das eine neue Software besitzt, die man gratis herunterladen kann, wenn man ein altes iPhone hat. Überall auf der Welt. Man muss dafür nicht vor einem Apple-Geschäft sitzen. Es ist langfristig nicht mit einer Knappheit von iPhones zu rechnen, höchstens mit leichten Lieferschwierigkeiten zu Beginn.

Und die Wahrscheinlichkeit ist gar nicht so niedrig, dass dieses neue Gerät die eine oder andere Macke hat, die später korrigiert werden muss. Rational betrachtet wäre es sinnvoller, zu Hause im bequemen Bett zu kampieren und das neue iPhone 5 irgendwann im Internet zu bestellen, nachdem man die ersten ausführlichen Testberichte abgewartet hat. Aber was ist schon streng rational, wenn es um Apple geht?

Apple-Geräte zählen zu den praktischsten Schmuckstücke der Welt, besonders das iPhone. Man kann damit mailen, die nächste Kneipe suchen, sich Notizen machen, Flugtickets verwalten und gleichzeitig kann man demonstrieren, dass man ein wirklich fortschrittlicher, zukunftszugewandter Superstyler ist, der etwas von Design versteht.

Jobs bleibt der Heiland

Ganz besonders weit vorne dran fühlt man sich womöglich in der Schlange vor dem New Yorker Apple-Store. Ein iPhone ist ein bisschen wie ein Designer-Ring, mit dem man Bierflaschen öffnen kann. Viel ist Image, Optik, aber im Kern stecken wirklich nützliche Funktionen. Das Image hat Steve Jobs geschaffen, der Apple-Gründer, der mit dem iPhone aber auch dem iPod und iTunes unser Leben verändert hat. Im Grunde bleibt er der Heiland, auf den die Menschen in all den Schlangen weiter warten.

iPhone 5

Apple-Fans haben am Freitag in vielen Ländern für das neue iPhone 5 Schlange gestanden. Von Sydney bis Tokio harrten die Käufer schon in der Nacht vor den Läden aus. Das neue iPhone kommt im Verlauf des Tages auch in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA und Kanada in die Läden. In 22 weiteren Ländern ist der Verkaufsstart erst eine Woche später.

In Hongkong und Singapur mussten sich die Käufer vorab online registrieren, um zum verabredeten Zeitpunkt ihr Smartphone abholen zu können. Die ersten Kunden in Hongkong wurden von jubelnden Apple-Mitarbeitern empfangen, die sie einzeln in den Laden führten. In Australien gingen einige Fans so weit, schon seit Dienstag vor dem Apple Store in Sydney zu campieren - drei Tage lang.

Apple hat für sein iPhone wieder Vorbestellungsrekorde aufgestellt, die vermuten lassen, dass es sein übliches Ziel erreicht: Vom neuen iPhone so viele Exemplare verkaufen wie von allen alten zusammen. Die Aktie steigt, am Börsenwert gemessen bleibt Apple das bisher teuerste Unternehmen der Welt. Die iPhone-Verkaufszahlen bestätigen die Zuversicht der Anleger. Das iPhone schließlich macht mehr als zwei Drittel von Apples Profit aus.

Journalisten aus aller Welt beobachten die Schlangen vor den Apple-Läden und die iPhone-Präsentationen, als würde Prinzessin Kate dort ihre Brüste zeigen oder Prinz Harry nackt auf dem Tisch tanzen. Erinnert sich noch jemand an die Vorstellung des neuen Amazon-Tablets? Auch Amazon ist eine echt große Firma, aber Amazon ist nicht Apple. Amazons Produkte baut man auch nicht in jeden Hollywood-Film ein, weil sie einfach so schön aussehen.

Bild: privat
Johannes Gernert

ist Redakteur der sonntaz.

Nicht nur für Apple-Nerds

Steve Jobs hat Produktvorstellungen zu einem Event gemacht. Das Interessante ist, dass ihre Bedeutung nun, nach seinem Tod, noch weiter zu wachsen scheint, weit über die Gruppe der kampierenden Apple-Nerds hinaus. Obwohl klar ist, dass am Ende niemand mehr kommen wird und „One more thing“ sagen, um etwas Aufregendes anzukündigen.

Die praktischen Angeber-Produkte werden von immer größeren Menschenmassen genutzt, das scheint ihrem exklusiven Image nicht zu schaden. Apple tut bisher unter der Leitung von Tim Cook nichts anderes, als Jobs Erbe zu verwalten. Effizient, solide und sehr erfolgreich. Das Erbe ist groß genug. Es reicht noch eine Weile.

Irgendwie ist das schon faszinierend: Dass die Leute immer faszinierter sind von diesem Unternehmen, das gerade gar nichts Faszinierendes mehr tut. Auf lange Sicht ist die Frage, ob Apples Entwickler auch ohne Jobs so etwas wie das iPhone oder den iPod, etwas völlig Neues, auf den Markt bringen können, erfolgreich. Womöglich ist das aber eher eine Frage des nächsten Jahrzehnts.

Und Foxconn, der miese Apple-Fertigungsbetrieb? Ja, Foxconn. Interessiert mich jetzt nicht so dramatisch. Auch das ist die Botschaft jedes verkauften iPhones.

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Johannes Gernert
sonntaz-Redakteur
Jahrgang 1980, ist Redakteur der taz.am wochenende. Er betreut dort die Titelgeschichten. 2010 ist sein Buch „Generation Porno“ erschienen. 2013 wurde er mit dem Arthur F. Burns-Award ausgezeichnet.
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18 Kommentare

 / 
  • GM
    Guten Morgenaberauch

    So ein kritischer Bericht, alles sauber zusammengefasst, was so in den letzten Monaten im Internet zu lesen war. Lassen Sie doch die Leute anstehen und sich das neue IPhone kaufen. Für viele ist es das Ereignis des Jahres, nicht nur ein Handykauf, sondern Event. Seien Sie tolerant und großzügig. Lassen Sie das Leben fließen, auch wenn Sie lieber Zuhause bleiben und chillen, und im Internet bequem Ihre Bestellungen ordern.

  • S
    Solkar

    Und wehe über Euch, die Ihr nicht ansteht, um dem Goldenen Kalb zu huldigen, indem Ihr euer Scherflein entrichtet!

     

    Denn am Ende aller Akkulaufzeiten wird Steve Jobs wiederkehren in Herrlichkeit und richten über die Verappleten.

     

    Und Apps werden aufgerufen und eine andere App wird aufgerufen, das ist die App der Konsumeifrigen.

    Und wen man nicht in der App der Konsumeifrigen aufgeschrieben fand, der ward in das Funkloch geworfen.

     

    SCNR

  • S
    Sebastian

    Ein wenig Gesellschafts-/Kapitalismuskritik hätte dem Artikel gut getan. So ist er zwar informativ, aber hätte eben genauso gut in der Süddeutschen erscheinen können.

    Das Phänomen Apple sollte mal wirklich kritisch beleuchtet werden. Es sagt nämlich viel aus, über die oberflächliche Gesellschaft in der wir leben.

  • H
    Harald

    Und täglich grüsst die Apple-Nachricht...

  • O
    Ostprodukt

    Na, Herr Gernert, was für Apple-Produkte haben wir denn so (bzw. die ganze taz-Redaktion) in Benutzung;-))?

  • F
    FaktenStattFiktion

    Herr Gernet, waren Sie schon einmal im Kino?

     

    Ja? Ein absoluter Fehler! Sie haben angestanden, mussten neben wildfremden Menschen sitzen und haben Gelf bezahlt, um vorab Werbung zu sehen.

    Billiger geht das, wenn Sie eine Filmkonserve kaufen. Oder Sie warten, bis der Film im Fernsehen kostenfrei zu sehen ist! Fahren Sie in den Urlaub? Das zerstöt die Umwelt! Leihen Sie sich ein Video zu "Meine schönster Bunker in Gaza" und bleiben Sie daheim!

     

    Haben Sie ein Frau oder Freundin? Sie können doch auch stattdessen....

  • E
    Erbsensuppe

    @"Mein Name" was dem einen sein Prophet ist dem andern

    sein Iphone 5.Hoffentlich gibt es dazu noch was Schönes in der Titanic.

  • UW
    Unbequeme Wahrheiten

    Iphone 5 ? Seltsam uninspiriert und technisch von anderen Herstellern längst übertroffen.

    Das Schlange stehen zum launch day ist denn auch länst nicht mehr der Intention geschuldet ein innovatives Supergerät zu ergattern, sondern eher zu einem pseudo-religiöses Tradtionsevent von Apple-Gläubigen mutiert.

     

    Das Gerät hat nichts, was so überragend wäre, daß man versucht ist die Arroganz des Unternehmens gegenüber seinen Kunden zu übersehen.

    Traurig auch, daß bei einem Reingewinn von mehr als 400€ und Arbeitskosten von nur 8€ pro Gerät der Konzern gerade auch hier nichts unternimmt. Die Verbesserung der Lebensqualität der ArbeiterInnen bei Foxconn würde den Gewinn nicht schmälern selbst wenn die Arbeitskosten sich verdoppeln würden.

    Dieses schändliche Verhalten sollten auch jene einmal in Betracht ziehen, die Apple kritiklos verehren. Apple ist längst nicht der "gute" rebellen Konzern der kleinen Schrauber und Tüftler; das war er nie, auch wenn manche das gerne so gesehen haben.

  • M
    micke

    "Jetzt winden sich also wieder Schlangen zu den Apple-Geschäften dieser Welt, als würde ein Heiland drinnen Kranke heilen. Vor dem großen Apple-Laden in New York kampierten Menschen."

     

    mit solche Beiträge werden doch die Vorurteile und Klischees geschafft worüber alle meckern und dann ist noch Apple dran schuld. Jaja ich bin ein Freak.

  • A
    affenmann

    das mit foxconn kommt ja immer gerne, aber wenn man foxconn vermeiden möchte, kann man sich den kauf von elektrogeräten eigentlich gleich sparen, zumindest teile von denen stecken eigentlich in jedem computer oder handy.

  • D
    derralle

    passt prima zur aktuellen Debatte um Klamottenfertigung in Asien. Es ist ver.di hoch anzurechnen, dass sie H&M zu Mindeststandards in der Arbeitssicherheit seiner Hersteller zwingen will, aber letztendlich interessiert es die Kunden (leider)nicht. Es muss billich und/oder stylisch sein, LMAA was die Arbeitsbedingungen angeht, das denken 99,9% der Kunden hierzulande. Und so lange das so ist, wird sich an unserer kranken, geldgeilen Konsumgesellschaft auch nichts ändern.

  • MN
    Mein Name

    Gratuliere, das ist heute sicher einer der 10 schlechtesten iPhone 5 Launchday Artikel auf der ganzen Welt.

  • JK
    Jörg Krauß

    Danke für die "bebilderte Satire" an Sowasaberauch.

    Ich sags mal so. Nirgends weiß der Staat besser über den "Kulturstatus" seiner zukünftigen Steuerzahlergeneration Bescheid und er spart einen Haufen Geld für Kultur bzw. nimmt massiv Steuern ein.

    Verkaufszahlen von digitalen Freudenspendern vermindern auf der Ausgabenseite von Bund, Land und Kommunen die Kosten im Sozial- und Kulturbereich. Der Raum und die Zeit, die Mensch für sein Kulturverständnis braucht, reduziert sich auf die Gehäusgröße seiner digitalen Lieblinge.

  • K
    KlausK

    Technikaffine Konsumidiotie könnte man as auch nennen.

     

    Friedrich Küppersbusch sprach mir am Montag aus dem Herzen.

  • S
    soso

    gut geht es also den menschen (ein paar wenigen jedenfalls), dass sie sich also um nix mehr sorgen machen müssen, als um das neue apple-phone und wie sie es als erste bekommen.

     

    ist doch schön, dass unsere welt wenigstens für ein paar (auserwählte) Menschen in ordung ist, in ihren schlafsäcken, draußen auf der Straße.

     

    und sie sich wirklich super dabei fühlen können.

  • L
    logo

    trotzdem ist es eines der besten smartphones die es seit Jahren gibt.

  • S
    Sowasaberauch

    In der Tat, enttäuschend das neue iPhone:

    weder kann ich damit Kaffee brühen noch die Krümel vom Sofa saugen, vermutlich können damit nicht einmal Nägel in die Wand geschlagen werden.

    Ich wart bis zum iPhone 12, bis dahin wird emin neuer innovativer Kopf bei Apple all dies ermöglicht haben.

    Hoffentlich taugt dann der Akku auch als Notstromagregat für meine Waschmaschine.

  • K
    kaltduscher

    In der taz Redaktion scheint es Euch heute aber auch ganz schön langweilig zu sein.