Kommentar Antifa-Kongress: Nicht nur Nazis sind Gegner
Im Kampf gegen Neonazis war die Antifa gut – aber was macht sie mit rechten Parteien? Die Antwort ist offen, die Antifa stellt sich ihren Herausforderungen.
E ine klassische Krise ist dann eine, wenn sie zuerst nicht erkannt wird und später kaum gebändigt werden kann. Das galt für die US-Immbolilienkrise, für die sogenannte Eurokrise – und es gilt für manche Form der Lebenskrise. Am Wochenende kommen in Berlin Antifa-AktivistInnen aus ganz Deutschland zusammen. Die linke, bewegungsnahe Monatszeitung analyse & kritik fragte dazu gerade erst: „Antifa, gibt's die noch?“
Die Frage hat einen Hintergrund. Für ihre Zusammenkunft hat die Szene ein selbstkritisches Motto gewählt: „Antifa in der Krise“. Das ist erstaunlich fortschrittlich, weil die Überschrift eine Fehler- und Debattenkultur befördert, die sicher nicht zu allen Zeiten zum Selbstverständnis linker und autonomer Gruppen gehörte.
Wer seine eigene Krise pünktlich erkennt, ist gemeinhin vor Ärgerem gefeit. Das ist so ähnlich wie beim Arzt: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Dabei gibt es wenige Dinge, die sich die Antifa im Kern vorhalten lassen muss: Die kontinuierliche Arbeit von antifaschistischen Gruppen ist unbestritten die Grundlage von Antirassismusarbeit in vielen ländlichen Bereichen geworden und – etwa in der Auseinandersetzung mit der NPD oder freien Kameradschaften – ein ganz zentrales Element im Kampf gegen Neonazis und Alltagsrassismus.
Dennoch steht die Antifa tatsächlich vor Herausforderungen, auf die es keine einfachen Antworten gibt: Auch die Antifa steht mitten in der Eurokrise. Die Skepsis gegen Europas Spar- und Krisenpolitik führt in zahlreichen Ländern zu einem deutlichen Zulauf für rechte und rechtsextreme Gruppen und Parteien. In Deutschland genießt die rechtskonservative Partei AfD Zulauf – und steht vermutlich kurz vor dem Einzug in das europäische Parlament.
Im Kampf gegen Neonazis war die Antifa immer gut – aber was macht sie mit der AfD? Was macht sie mit Bürgerinitiativen, die sich bundesweit gegen Flüchtlingsunterkünfte formieren – mal mit, mal ohne Beteiligung von Neonazi-Strukturen? Und wie reagiert sie auf die Tatsache, dass auf dem Land zahlreiche staatlich geförderte Initiativen inzwischen die Antirassismusarbeit übernommen haben?
In den vergangenen Monaten wurde in zahlreichen antifaschistischen Zirkeln und Plattformen nach Antworten auf die großen Herausforderungen gesucht, mit denen die antifaschistische Bewegung in Deutschland konfrontiert ist. Dabei steht auch die Frage zur Debatte, wie das gesellschaftliche Klima in Deutschland im Jahr 2014 in Sachen Rassismus und Antirassismus grundsätzlich zu bewerten ist. Eine der Kernfragen lautet: Hat sich die Stimmung nach den Progromen der 90er Jahre nicht merklich verbessert? Oder erweckt nur das Antlitz einer deutschen Öffentlichkeit derzeit einen vielleicht positiveren Eindruck als früher – obwohl an den Grenzen Europas ein hartes Abwehrregime gegen migrationswillige Flüchtlinge wütet?
Die Szene hat also viel zu diskutieren, doch der für das Wochenende geplante Kongress hat bereits jetzt seine Wirkung entfaltet. Die Antifa-Bewegung konfrontiert sich aktiv mit den Herausforderungen, vor denen sie steht. Wer dazu in der Lage ist, braucht keinen Doktor.
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