Kommentar Annette Schavan: Billiges Täuschungsmanöver
Bei gutem Wetter redet Annette Schavan der Hochschulautonomie das Wort. Wenn es um ihre Doktorarbeit geht, beschneidet sie die.

A nnette Schavan demonstriert gerade eindrücklich, dass sie ein ganz eigenes Verständnis von freier Debattenkultur hat. Durch ihre Anwälte ließ die Bildungsministerin der Universität Düsseldorf untersagen, sich zu den bisherigen Ergebnissen bei der Prüfung ihrer Doktorarbeit zu äußern. Schavan hat also einer akademischen Einrichtung, deren Autonomie sie an anderer Stelle wortgewaltig lobt, einen Maulkorb verpasst.
Einmal ganz abgesehen davon, dass dieses Gebaren offenbart, wie autokratisch die intellektuell auftretende Schavan sein kann, wenn es um ihre eigenen Interessen geht: Ein solches Verhalten gehört sich nicht für eine Bildungsministerin. Man kann nicht Sonntagsreden zur dringend nötigen Freiheit der Wissenschaft halten, diese Freiheit aber beschneiden, wenn es um die eigene Zukunft geht.
Schavans Anweisung demonstriert zudem, dass sie einen wesentlichen Punkt nicht verstanden hat. Nicht sie selbst ist im Moment die entscheidende Instanz, sondern die Hochschule. Und Schavan täte besser daran, dieses Autoritätsgefälle zu akzeptieren.
Schavan und ihre Verteidiger in der Koalition versuchen im Moment ein durchsichtiges Täuschungsmanöver. Sie skandalisieren, dass das kritische Gutachten aus der Universität in die Medien gelangt ist. Dies ist jedoch allenfalls ein Nebenkriegsschauplatz. Weder ist überraschend, dass ein brisantes Papier aus einem mehrköpfigen Gremium nicht geheim bleibt, noch kann man Journalisten vorwerfen, dass sie ihre Arbeit tun.
Mit dieser Strategie wollen Schavan und ihre Unterstützer vom eigentlichen Kern der Affäre ablenken: Hat die Ministerin getäuscht oder nicht? Das lässt sich im Moment nicht abschließend beurteilen, Vorverurteilungen sollten unterbleiben. Viel spricht dafür, dass Schavan zumindest nicht im selben Ausmaß betrogen hat wie Karl-Theodor zu Guttenberg in seiner Doktorarbeit. Aber niemand hat der Universität vorzuschreiben, wie sie aufklärt. Am wenigsten die Ministerin selbst.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel