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Kommentar Alternative EnergienÖkologisch, aber unsozial

Kommentar von Martin Reeh

Nicht nur beim Windenergie-Erzeuger Enercon wird um Betriebsräte gestritten. Die Branche kämpft mit einem Image-Problem – weil sie nicht nachhaltig denkt.

Die Erneuerbaren-Branche, die so gern mit Nachhaltigkeit wirbt, pflegt selbst lieber das kurzfristige Denken Bild: dpa

W arum nur haben die Deutschen ein libidinöses Verhältnis zu Autos, nicht aber zu Solaranlagen und Windrädern? Warum lässt der Untergang der Solarfirmen in Ostdeutschland die Bevölkerung kalt, warum verhallt der „Cuxhavener Appell“ norddeutscher Landesminister zur Rettung der Offshore-Industrie?

Auf der Suche nach Antworten hilft ein Blick zum größten deutschen Windkraftanlagenhersteller Enercon. Die IG Metall setzt dort nach jahrelangen erbitterten Kämpfen immer mehr Betriebsräte durch. Und Enercon ist kein Einzelfall.

Streitigkeiten um Betriebsräte gab es auch schon in der Solarindustrie. Die meist westdeutschen Firmen bauten ihre Produktionsstätten in den ostdeutschen Ländern, wo die Subventionen flossen und die Löhne niedrig waren. Ökologisch, aber unsozial – dieses schlechte Image schien vielen Unternehmen egal zu sein.

Bis heute gibt es in den großen Solar- und Windfirmen kein Pendant zum Unternehmer Wolfgang Grupp, der als solider Patriarch der Textilfirma Trigema öffentlich für den Standort Deutschland wirbt – nur einen Schlossherrn wie Solarworld-Gründer Frank Asbeck. Die Erneuerbaren-Branche, die so gern mit Nachhaltigkeit wirbt, pflegt selbst lieber das kurzfristige Denken. Dass etwa mit der Forderung nach Tempo 130 in Deutschland kein Blumentopf zu gewinnen ist, liegt aber nicht nur am Hang zu röhrenden Motoren, sondern auch an einer jahrelang gepflegten „Modell Deutschland“-Firmenkultur in der Automobilbranche.

VW hat mithin ein positives Image. Enercon und Solarworld haben es nicht. Auch deshalb geht die Debatte über die Energiewende endlos weiter.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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4 Kommentare

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  • F
    Fuzzy

    Was hat das denn mit Autos zu tun, oder pflegt der Autor ein "libidinöses Verhältnis" zu erneuerbaren Energien? Und selbst wenn, dass Ding nennt sich Marktwirtschaft: Die Leute wollen es, also wird es auch angeboten.

    Es schwingt wieder dieser unerträgliche "wir wissen aber besser, was gut für Euch ist" Tenor mit.

    Davon mal abgesehen: Die meisten Leute werden eher ein Problem mit ihrer Stromrechnung haben, die saftig ansteigt, dank des damals unter Umweltminister Trittin(!) verabschiedeten EEG.

    Ob man einen Spritfresser fahren will und die dazugehörigen Rechnungen zahlen möchte ist die eigene Entscheidung und das ist gut so.

    Wer das möchte kauft sich halt sich ein PS- Monster, wer nicht halt nicht.

    Aber dank des EEG haben wir bei Strom ALLE KEINE WAHL mehr und müssen teuren Strom kaufen und bezahlen, speziell Einkommensschwache wird dies massiv treffen.

    Aber anscheinend gibt es offensichtlich eher ein "libidinöses Verhältnis" zum Autohassen und Verdrängen der tatsächlichen, sich auswachsenden Probleme mit den erneuerbaren Energien.

  • PS
    Peter S.

    "Warum nur haben die Deutschen ein libidinöses Verhältnis zu Autos" Mich zwingt niemand, ein Auto zu kaufen, ich werde aber gezwungen, Land- und Hausbesitzern deren "EE"-Anlagen zu finanzieren. Nicht unsozial sondern asozial von der EE-Taliban.

  • Die Firmen denken durchaus nachhaltig. Nur eben nicht sozial.

    • SG
      Schöne Gruß
      @Tim Leuther:

      Es sollte mittlerweile eigentlich jedem klar sein, daß der "Green New Deal" schlecht gelaufen ist. Profite zählen, sonst nichts.