piwik no script img

Kommentar AfD-Politiker beim VorlesetagZiemlich dämliche Idee

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Kein Kind wird gleich Schaden nehmen, wenn ihm ein AfD-Politiker vorliest. Die Gefahr liegt vielmehr in der Normalisierung der rechten Partei.

Wir, vorlesen? Foto: imago/phothothek

D iskussionen und inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD müssen sein, keine Frage. Auch stehen den Rechtspopulisten jene Ämter in Landtagen – und bald wohl auch im Bundestag – zu, die einer gewählten Partei, die sich nicht nachweislich außerhalb des Grundgesetzes stellt, so zustehen. Schließlich sind sie demokratisch gewählt. Aber AfD-Abgeordnete flächendeckend dazu einladen, Kindern in Kitas, Schulen und Bibliotheken vorzulesen? Das ist nun wirklich eine schlechte Idee.

Vermutlich wird kein Kind gleich Schaden nehmen, wenn ihm AfD-PolitikerInnen wie Frauke Petry oder gar Björn Höcke ein Stündchen etwas vorlesen. Vielleicht können die beiden dabei sogar sympathisch und zugewandt sein. Eine solche Selbst­darstellung dürfte der eine Effekt des Vorlesetags sein. Ein noch ­wich­tigerer: Die Einladung suggeriert, dass die AfD eine ganz normale Partei ist. Eine solche Normalisierung aber sollte es nicht geben. Im Gegenteil.

Die AfD ist eine rechtspopulistische Partei mit Verbindungen ins rechtsextreme Lager, ihr völkisch-nationalistischer Flügel wird immer größer. Die Partei hetzt gegen Andersdenkende, gegen Schwule und Lesben, gegen Migranten und Flüchtlinge. Für Muslime würde sie gerne das grundgesetzlich verbriefte Recht der freien Religionsausübung beschneiden, weil sie ihren Glauben für eine Gefahr hält. Wer AfDler zum Vorlesen in Schulen und Kitas einlädt, mutet nicht nur Kindern und ihren Eltern aus all diesen Gruppen einiges zu. Dies legt auch nahe: Eine solche Einstellung ist vielleicht nicht mehrheitsfähig, aber okay. Das aber ist sie nicht. Und genau dies sollten Bildungseinrichtungen in einer demokratischen Gesellschaft auch vermitteln.

Die Stiftung Lesen, die allen Kindern unabhängig von ihren materiellen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen Spaß am Lesen vermitteln will, steht eigentlich in dieser Tradition. Die Einladung der AfD-Abgeordneten passt dazu nicht.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Ich verstehe nicht, warum überhaupt (Spitzen-)Politiker als Vorleser eingesetzt werden. Kinder wissen doch gar nicht, wen Sie da vor sich haben. Jeder könnte vorlesen, der sich dafür begeistert, auch z.B. ältere Kinder.

  • Die Stiftung schreibt, dass die unter dem Schirmschutz des Bundespräsidenten steht.

     

    Der Bundespräsident leistet bei seinem Amtsantritt vor den versammelten Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates folgenden Eid:

     

    "Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe."

     

    Im Kontext der fremdenfeindlichen Politik der AfD sollte die Stiftung nachdenken, ob diese gegenüber dem Bundespräsidenten nicht einen Behrendienst erweist, wenn sie die AfD Politiker für das Lesen mit Kindern einlädt.

     

    Denn vor Gott sind alle Menschen gleich und beispielsweise Flüchtlingskinder dürfen nicht benachteiligt werden. Auch nach dem Grundgesetz darf keine Diskriminierung wegen der Herkunft geschehen.

     

    Die Politik der AfD ist bekanntermaßen sehr diskriminierend. Die Verantwortlichen der Stiftung sollten das mitbekommen bzw. gelesen haben! Schließlich geht es bei der Stiftung ums Lesen.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "aber vor allem mit Wählern - Wählern, die keine Wähler zweiter Klasse sind, nur weil sie AfD wählen."

     

    Zweiter Klasse sind sie nicht, sie mögen eben nur die völkischen, antidemokratischen Töne aus der AfD.

     

    Die Anti-Eliten-Propaganda und das Geschwätz von denen da oben oder der links-alternativ-versifften Bande.

     

    Parlamentarisch reissen sie gar nichts, sie sind ja nur zu Propagandazwecken in den Parlamenten. Sie wollen erklärtermaßen die Macht, um dann ein Deutschland nach ihren Vorstellungen zu formen.

     

    Ohne das ganze Migranten- und Flüchtlingspack, oder die Tunten und Schwuchteln und den ganzen Mist.

     

    Ein Deutschland, dass nicht mehr viel mit dem Deutschland zu tun haben wird, das wir kennen.

     

    Die Afd ist natürlich nicht so blöd, sich als Verfassungsfeind zu gerieren. Aber letztendlich verachten sie die "Schwatzbude" des Parlamentarismus genauso wie dies die NSDAP tat. Deren Wähler auch keine Wähler zweiter Klasse waren, sondern eben deutsche Nazis.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Und das ging raus an Herrn oder Frau

       

      @NORMALO

  • "Die Einladung suggeriert, dass die AfD eine ganz normale Partei ist. Eine solche Normalisierung aber sollte es nicht geben. Im Gegenteil."

     

    die rhetorik trifft auch auf die Linkspartei zu. die haben auch noch einige die dem kommunismus nachtrauern.... können wir uns vielleicht einigen das dieses no platforming bullshit ist und die politischen ideen diskutiert werden sollten?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "Die Einladung suggeriert, dass die AfD eine ganz normale Partei ist. Eine solche Normalisierung aber sollte es nicht geben. Im Gegenteil."

     

    Ganz genau! Mir wird schlecht bei der Vorstellung, dass diese Halbnazis sich bei so einer Aktion beteiligen können. Die AfD ist keine normale Partei, sie ist eine völkische Partei mit antisemitischem Einschlag. Zur Demokratie haben diese Figuren ein instrumentelles Verhältnis. Schlimm genug, diese Visagen in zahlreichen Talkshows sehen zu müssen.

  • Liebe Frau am Orde,

     

    nur weil eine Stiftung grundsätzlich einen pädagogischen Zweck verfolgt, muss sie noch lange nicht zwangsläufig auch POLITISCHE Pädagogik betreiben. Es gibt da - ob man's glaubt oder nicht - einen Unterschied, und die Begeisterung für das Lesen an sich ist zunächst mal unpolitisch.

     

    Deshalb eignet sich auch so eine Stiftung grundsätzlich nicht für den obligaten Dienst zur Reinhaltung der politischen Kultur. Sie würde mit derart breiter politischer Diskriminierung, wie Sie sie offenbar von ihr erwarten, ihren Stiftungszweck unzulässig ausweiten.

     

    Und kommen Sie mir nicht damit, es gehe doch nicht um Diskriminierung, sondern um den Schutz unserer Kleinen vor den pösen, pösen Volksverhetzern. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass Sie das gesellschaftliche Prestige der Stiftung instrumentalisieren wollen, um durch sie ein "Zeichen" gegen die AfD setzen zu lassen. Dass die Stiftungsleitung sich genau dafür nicht hergibt, ehrt sie. Denn leider, leider ist die AfD eben nicht als offen verfassungsfeindliche Partei entlarvt (wie die NPD), sondern objektiv betrachtet einfach nur eine Partei mit einem kontroversen Programm und noch kontroverseren Untertönen, aber vor allem mit Wählern - Wählern, die keine Wähler zweiter Klasse sind, nur weil sie AfD wählen.

  • Was heißt denn die AfD ist keine normale Partei? Davon bin ich eigentlich immer ausgegangen. Sie ist nur eben keine gemäßigte Partei.

     

    Das die AfD Verbindungen zu Menschen hat die ihre eigene Haltung ins extreme Fortsetzen ist sicher richtig. Auch stellt sicher niemand in Frage das die AfD gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen keilt und versucht eine Identität zu konstruieren, über die sich unfreiheitliches Gedankengut rechtfertigen lässt. Das sehe ich alles auch so. Mein Problem mit dem Artikel ist eher: Das trifft auf die Linkspartei ebenso zu. Darin scheint man hier aber kein Problem zu sehen.