Kommentar Adoption für Homosexuelle: Das gewisse Unbehagen der Union
Wie viel Modernität verträgt die Union noch? Wie konservativ darf sie bleiben? Oder: Was kann sie den Wählerinnen und Wählern zumuten?
D a musste die Union nun schon die Kröte mit dem Ehegattensplitting für homosexuelle Paare schlucken. Doch kaum ist in der Fraktion die Abstimmung für eine Gesetzesänderung durch, schon prescht Ursula von der Leyen mit einem Ruf nach weiterer Gleichstellung von Lesben und Schwulen vor: dem Adoptionsrecht.
Sie kenne keine Studie, sagt die CDU-Vizechefin in einem Interview, dass es Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen, anders gehe als Kindern, die bei Heteropaaren groß werden. Reflexartig kontert Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, dass es bei dieser Frage keinen „Schnellschuss“ geben dürfe.
Mit der nicht ganz neuen, aber jetzt umso heftiger entflammten Debatte hat die Union genau das Thema auf dem Tisch, das sie mit der Abstimmung zum Ehegattensplitting Ende vergangener Woche glaubte vom Tisch gefegt zu haben. Denn wenn die Union etwas nicht gebrauchen kann in den verbleibenden Wochen vor der Bundestagswahl, dann ist das ein weiterer Wertediskurs. Wie viel Modernität verträgt die Union noch? Wie konservativ darf sie bleiben? Oder: Was kann sie den Wählerinnen und Wählern zumuten?
Das weiß die Union selbst nicht so genau. Das zeigt sich deutlich bei den Genderthemen – und jetzt bei der „Homo-Frage“. Dass Schwule und Lesben gleichberechtigte Eltern von adoptierten Kinder werden sollen, können oder wollen sich viele in der Union immer noch nicht vorstellen. Volker Bouffier, CDU-Vize und Ministerpräsident in Hessen, nennt das „ein gewisses Unbehagen“. Die CSU, die heftigste Verteidigerin der traditionellen Ehe und Familie, verweigert sich der Adoptionsfrage völlig. Das will die Partei nur ändern, wenn das Bundesverfassungsgericht das verlangt.
Dabei hat Karlsruhe längst deutlich gemacht, in welche Richtung es geht. Im Februar hat es den Gesetzgeber aufgefordert, auch beim Adoptionsrecht für Homosexuelle nachzubessern.
Dabei wird es nicht bleiben. Schon jetzt fordern manche, die Ehe generell zu öffnen. An dieser Stelle können CDU und CSU aber ganz entspannt bleiben. Diese Debatte wird über die Bundestagswahl hinausgehen.
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