Kommentar Abriss des BER: Der leider unmögliche Absturz
Ein Lufthansa-Vorstand hat ausgesprochen, dass der BER mehr als verkorkst ist. Und nichts wäre besser als ein heilsamer Crash. Aber das wird nie passieren.
H uch! Da hat mal jemand laut ausgesprochen, dass der Flughafen-Neubau BER nicht nur verkorkst ist, sondern keine Zukunft hat. „Meine Prognose ist: Das Ding wird abgerissen und neu gebaut“, hat Lufthansa-Vorstand Thomas Dirks laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vor Managern gesagt. Nun ist die Aufregung groß.
Der Flughafen-Chef sagt: Unsinn! Der rot-rot-grüne Senat schließt genauso wie der CSU-Bundesverkehrsminister einen Abriss aus. Selbst die Lufthansa betont eilig, das sei keineswegs eine Forderung des Konzerns. Also nichts als eine kleine Turbulenz am winterblauen Himmel über Berlin?
Im Gegenteil. Seit Jahren sind drei Dinge bekannt: Die Brandschutzarchitektur des Flughafens ist ein nur schwer zu reparierender Irrsinn. Der Salat in den Kabelschächten ist ein unentwirrbares Gestrüpp. Und: Der Flughafen wird teurer und teurer und teurer und teurer und teurer. Nichts wäre daher dringender als das ehrliche Eingeständnis: Das wird nichts. Nichts wäre besser als ein schmerzvoller, aber heilsamer Crash. Nur: Wer hätte die Kraft, dafür die Verantwortung zu übernehmen?
Klaus Wowereit hätte der Stadt einen letzten Dienst erweisen können – wenn er sich 2014 nicht einfach als Regierender Bürgermeister aus dem Staub gemacht hätte, sondern vor seinem Rücktritt den Abriss der Schrottimmobilie durchgesetzt und dafür die Verantwortung übernommen hätte. Das Problem: Es hätte ihm niemand gedankt, weil schon über 2 Milliarden Euro verbaut waren.
Fast sechs Jahre nach der kurzfristigen Absage der Eröffnung werden 5 Milliarden Baukosten prognostiziert. Wenn Michael Müller jetzt das Scheitern des Projekts öffentlich bekannt gäbe, würde er erst recht in Schimpf und Schande aus der Stadt verjagt. Dabei sollte man ihm ein Denkmal bauen – weil er Bund und Länder vor dem unendlichen und unendlich teuren Weitergewurschtel bewahren würde.
Aber das mutige Eingestehen eines Fehlers wird leider nie honoriert. Deshalb wird tapfer versichert, dass der Flughafen fertig wird. Bald. Ganz bald. Koste es, was es wolle.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen